Der Ständerat empfiehlt die JUSO-Initiative «1:12 – Für gerechte Löhne» zur Ablehnung. Er schloss sich damit am Donnerstag mit 26 zu 10 Stimmen dem Nationalrat an. Die Initiative wird dem Volk ohne Gegenvorschlag vorgelegt.
Die Initiative verlangt, dass in einem Unternehmen der höchste Lohn das Zwölffache des tiefsten Lohns nicht überschreiten darf. Die Chefs sollen also in einem Monat nicht mehr verdienen dürfen als die Mitarbeitenden in einem Jahr.
Die Vorlage ist bereit für die Schlussabstimmung in den Eidgenössischen Räten am Freitag. Für die bürgerliche Mehrheit stellt die Initiative der Jungsozialistinnen und -sozialisten (JUSO) einen Angriff auf die Wirtschaftsfreiheit und damit das Erfolgsmodell Schweiz dar. Es stehe dem Staat nicht an, sich in die Lohnpolitik Privater einzumischen.
Dieser Entscheid obliege allein den Eignern. Und das sei mit der Annahme der Abzockerinitiative sichergestellt. Nun gelte es abzuwarten, welche eventuell dämpfende Wirkung die neuen Regeln in der Verfassung entfalten.
Leicht zu umgehen
Die JUSO-Initiative sei schwer umsetzbar, leicht zu umgehen und habe einen riesigen Verwaltungsaufwand zur Folge. Mit der schlichten Auslagerung von Billiglohn-Jobs an eine Temporärarbeitsfirma wäre die Sache schon geritzt, warnten die Gegner im Rat. Konzerne könnten sich als Holding aufstellen und dabei die Chefs oder die am tiefsten Entlöhnten in eigene Aktiengesellschaften auslagern.
Gerade international ausgerichtete Unternehmen könnten abwandern oder ihre ohnehin hochmobilen Spitzenkräfte von der Buchhaltung im Ausland bezahlen lassen. Was all das bei den Steuereinnahmen und Sozialabgaben anrichtet, mochte sich This Jenny (SVP/GL) gar nicht vorstellen.
Peter Föhn (SVP/SZ) sah warnende Beispiele im Ausland. Dort investiere wegen enger Arbeitsmarktvorschriften vielerorts niemand mehr. Auch Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann warnte vor Auswirkungen auf das Investitionsklima.
Bei einigen Salären seien zwar Anstand und Mass verloren gegangen. Die Initiative könne das aber nicht korrigieren. Bei der Finanzindustrie mit den grössten Salärexzessen verfüge der Staat bereits über Eingriffsmöglichkeiten.
Jeder Lohnexzess bringt Stimmen
Paul Rechsteiner (SP/SG), der sich für die Initiative stark machte, erinnerte daran, dass bis in die 1990er Jahre kein Spitzenmanager deutlich mehr als ein Bundesrat verdient hatte.
All die «alten Bankgesellen und Ciba-Chefs» hätten weniger als eine Million Franken verdient, sekundierte Anita Fetz (SP/BS). Erst mit der neoliberalen Welle , als alle «nur noch Rendite bolzten», seien die Spitzenlöhne explodiert.
Sie schaue nun gelassen dem «Gebaren der Finanzoligarchie» zu. Jeder weitere Selbstbedienungs-Exzess spüle tausende neue Ja-Stimmen für die Initiative in die Urnen. Der Unmut im Volk nämlich sei gross.
Bürgerliche Warnungen vor unterschätzer Initiative
Werner Luginbühl (BDP/BE) stellte fest, das Volk habe genug von den Bezugsexzessen. Das Ja zur Abzockerinitiative beweise das deutlich. Er lehnt zwar die 1:12-Initiative ablehnt, warnt aber eindringlich davor, sie und den Unmut im Volk zu unterschätzen: «Kommt es zu neuen Rückenschüssen à la Vasella, werden wir diese Abstimmung verlieren.»
Der parteilose Schaffhauser Thomas Minder teilte diese Besorgnis. Indem Bundesrat und Parlament die Initiative ohne Gegenvorschlag vors Volk bringen, stellten sie ein schlechtes Gespür für die Stimmung im Land unter Beweis.
Ein Verhältnis von 1 zu 12 vom tiefsten zum niedrigsten Lohn leuchte «dem Normalbürger» nämlich durchaus ein. Und das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft – die kleinen und mittlere Unternehmen – wäre von der Initiative kaum betroffen.
Dass die Initiative durchaus Potenzial hat, zeigt eine Umfrage von Anfang März. Darin sprachen sich 49,5 Prozent von über 1000 Stimmberechtigen in der Deutsch- und Westschweiz für das Volksbegehren aus.