Der Ständerat will einen direkten Gegenvorschlag zur Pädophilen-Initiative ausarbeiten lassen. Zwar war auch in der kleinen Kammer unbestritten, dass Kinder besser vor Pädophilen geschützt werden müssen.
Mit einer mangelhaft formulierten Initiative wollte sie aber nicht neue Probleme und neues Unrecht schaffen. Die Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» der Vereinigung Marche blanche verlangt, dass verurteilte Pädosexuelle nie mehr mit Minderjährigen oder Abhängigen arbeiten dürfen. Gerichte müssten bei einer Verurteilung – unabhängig vom Strafmass – zwingend ein lebenslanges Tätigkeitsverbot anordnen.
Berufsverbot bei Jugendliebe
Dieser Automatismus steht im Widerspruch zum verfassungsmässigen Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Neben diesem juristischen Einwand wurde in der Debatte immer wieder das Problem der Jugendliebe zitiert: Der 18-Jährige, der mit einer 15-Jährigen eine Liebesbeziehung unterhält, müsste mit einem lebenslangen Berufsverbot belegt werden.
Dazu wollen es auch die Befürworter der Initiative nicht kommen lassen. Solche Probleme könnten aber in der Ausführungsgesetzgebung geregelt werden, sagte Brigitte Häberli-Koller (CVP/TG). Sie beantragte, die Initiative zur Annahme zu empfehlen. Wegen des eindeutigen Wortlauts der Initiative überwogen im Ständerat aber die Zweifel, dass die Initiative grundrechtskonform umgesetzt werden könnte.
«Es ist nicht so, dass man das noch ein bisschen interpretieren kann», sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Sie warnte auch vor den Folgen der Initiative: «Langfristig ist es der grösste Schaden für die direkte Demokratie, wenn wir Dinge in die Verfassung schreiben, von denen wir von Anfang an wissen, dass wir sie nicht umsetzen können.»
Kein Täterschutz
Um das Anliegen der Initiative dennoch aufnehmen zu können, setzte sich eine Minderheit der Rechtskommission für einen direkten Gegenvorschlag ein. Niemand weise die Initiative zurück, weil er die Täter schützen wolle, sondern weil sie schlecht formuliert sei und zu stossenden Resultaten führen würde, sagte Robert Cramer (Grüne/Genf).
Darum müsse der Ständerat der Initiative einen besser formulierten Gegenvorschlag gegenüberstellen. Cramer richtete den Blick bereits auf die bevorstehende Abstimmung: «Ich kann mir den Abstimmungskampf nicht vorstellen, in dem wir nur mit juristischen Argumenten den verstärkten Kampf gegen Pädophile verhindern.»
Kopf oder Bauch
Thomas Minder (parteilos/SH) hielt einen Gegenvorschlag für aussichtslos. «Ein emotionales Thema wie dieses wird nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Bauch entschieden. Da schaut der Bürger nicht auf den Artikel und auf den Unterschied im Wortlaut», sagte er.
Bei vielen Ständerätinnen und Ständeräten verfing dieses Argument nicht. Für Fabio Abate (FDP/TI) «geht es darum, Verantwortung zu übernehmen». Im Ständerat müsse neben dem Bauch auch der Kopf gebraucht werden, sagte Pascale Bruderer (SP/AG).
«Und wenn wir am Schluss scheitern, können wir wenigstens sagen, wir hätten es versucht», begründete Peter Bieri (CVP/ZG) seinen Einsatz für einen direkten Gegenvorschlag. Mit 23 zu 21 Stimmen wies der Rat schliesslich die Vorlage an die Kommission zurück mit dem Auftrag, einen direkten Gegenentwurf zu erarbeiten.
Der Bundesrat hatte einen solchen verworfen, jedoch einen indirekten Gegenentwurf vorgelegt. Die Vorlage soll den Schutz nicht nur von Kindern, sondern generell von Schutzbedürftigen vor Sexual- und Gewaltdelikten stärken. Der Nationalrat hat daraus jene Teile, die sich mit der Initiative überschneiden, herausgelöst und vorerst auf Eis gelegt.
Die übrigen Bestimmungen der Vorlage hiess er letzte Woche gut. Auch der Initiative hat er in der Frühjahrssession überraschend zugestimmt. Das Resultat kam jedoch vor allem darum zu Stande, weil sich der Nationalrat nicht auf eine Formulierung für einen direkten Gegenvorschlag einigen konnte. Nun muss er sich noch einmal mit der Abstimmungsempfehlung befassen.