Die Grenzwerte für Mobilfunkantennen sollen nicht angehoben werden. Der Ständerat hat sich nach intensiver Diskussion dagegen ausgesprochen. Das Thema bewegt: Noch nie hätten sie so viele Zuschriften aus der Bevölkerung erhalten, sagten viele Ratsmitglieder.
Am Ende war es ein knapper Entscheid: Der Ständerat lehnte den Vorstoss mit 20 zu 19 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab. Die Motion ist damit erledigt. Der Nationalrat wollte den Bundesrat beauftragen, die Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung zu revidieren. Aus seiner Sicht sind die Auflagen heute zu einschränkend.
Auch im Ständerat sahen das viele so. Das Mobilfunknetz müsse so rasch wie möglich modernisiert werden, forderten die Befürworter. Eine gute Mobilfunkqualität sei ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Obwohl die Schweiz aktuell eines der modernsten Netze besitze, drohe sie ins Hintertreffen zu geraten, sagte Kommissionssprecher Hans Wicki (FDP/NW).
Viele Anlagen hätten den Grenzwert ausgeschöpft. Werde dieser erhöht, könne auf den Bau tausender zusätzlicher Anlagen verzichtet werden, gab Wicki zu bedenken. Das sei auch für elektrosensible Personen besser. Zudem habe die Schweiz im europäischen Vergleich heute strenge Grenzwerte.
Bedenken ernst nehmen
Die Gegnerinnen und Gegner warnten vor möglichen gesundheitlichen Auswirkungen. Der Organismus reagiere erwiesenermassen auf Strahlungen weit unter dem Grenzwert, sagten sie. Das Ziel lasse sich auch auf anderem Weg erreichen, zum Beispiel mit Glasfaserkabeln.
Das Parlament müsse die Bedenken und die Gesundheitsprobleme vieler Menschen ernst nehmen, forderte Brigitte Häberli-Koller (CVP/TG). Die gesundheitlichen Auswirkungen der nichtionisierenden Strahlung seien unklar, und im Zweifel müsse die Gesundheit höher gewichtet werden.
Heute gebe es schlicht noch nicht genügend Langzeitstudien um zu belegen, dass die erhöhte Strahlung unbedenklich sei. Laut der Weltgesundheitsorganisation sei die Strahlung möglicherweise Krebs erregend.
Nicht nur Einbildung
Géraldine Savary (SP/VD) stellte fest, dass Menschen, die wegen der Strahlung gesundheitliche Probleme hätten, nicht alles eingebildete Kranke seien. Olivier Français (FDP/VD) wies auf den Grundsatz «im Zweifel, verzichte» hin. Hier gebe es Zweifel.
Thomas Minder (parteilos/SH) sprach sich gar für ein «Grenzwertmoratorium» aus. Er sei – wie die meisten im Saal – kein Experte, räumte Minder ein. Doch es müsse «etwas dran sein», zumindest eine Prise Wahrheit. Das schliesse er aus all den Zuschriften von leidenden und aufgebrachten Menschen.
Niemand kenne die Langzeitfolgen der Strahlung, sagte Minder. Zu behaupten, tiefere Grenzwerte hätten keine negativen Folgen, sei einfach nicht seriös. «Da können wir gleich Wahrsager Mike Shiva anrufen.»
Mit dem iphone verschickt
Konrad Graber (CVP/LU) erwiderte, auch er habe viele Zuschriften erhalten. Manche davon seien von iphones und ipads verschickt worden. Das zeige die «Schizophrenie». Den Komfort der mobilen Kommunikation schätzten alle, die Folgen aber wolle man nicht. Jährlich verdopple sich das versendete Datenvolumen in der Schweiz.
Claude Janiak (SP/BL) stellte fest, das Thema scheine die Menschen viel mehr zu bewegen als das Bundesbudget oder die Altersvorsorge. Die Ratsmitglieder seien in einer Art und Weise bestürmt worden, die er als grenzwertig empfinde. Er sprach sich für die Motion aus. Auch Pascale Bruderer (SP/AG) befürwortete die Motion. Die Alternative sei der Bau zusätzlicher Antennen, gab sie zu bedenken.
Zu Weihnachten das neuste Gerät
Auch Bundesrätin Doris Leuthard wies auf Widersprüche in der Gesellschaft hin. Viele Kinder bekämen zu Weihnachten die neusten Geräte. Ein Durchschnittsnutzer telefoniere fünf Minuten und sei eine Stunde im Internet.
«Alle wollen Internet bis in die SAC-Hütte hinauf», sagte Leuthard. Die Strahlung aber wolle niemand. Sie wies auch darauf hin, dass 90 Prozent der Strahlenbelastung vom Endgerät komme und nicht von der Mobilfunkantenne. Das seien sich viele nicht bewusst. Die Bevölkerung müsse besser informiert werden.