Der Ständerat will Polizistinnen und Polizisten besser vor Gewalt schützen. Eine Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis für die Angreifer hält er aber für übertrieben.
Trotz der aufgeheizten Stimmung wegen der Krawalle rund um die Berner Reitschule hat der Ständerat am Montag eine Motion aus dem Nationalrat mit 33 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Der Vorstoss verlangte Freiheitsstrafen von einem bis fünf Jahre für Drohungen oder Gewalt gegen Behörden oder Beamte.
Wird die Tat von einem «zusammengerotteten Haufen» begangen, so soll jeder, der daran teilgenommen hat, mit einer solchen Freiheitsstrafe bestraft werden. Heute können solche Angriffe mit Geldstrafen geahndet werden. Mit der hohen Mindeststrafe wollte der Nationalrat Beamte besser vor Gewalt schützen.
Handlungsbedarf erkannt
Im Ständerat fand die Motion des ehemaligen Nationalrats Oskar Freysinger (SVP/VS) keine Mehrheit. Der Handlungsbedarf war zwar unbestritten. Der Respekt vor Beamten und Behörden nehme ab, die Gewalt nehme zu, sagte Kommissionssprecher Fabio Abate (FDP/TI). Deshalb habe der Rat auch zwei Standesinitiativen mit der Stossrichtung angenommen. Deren Ziel ist es, dass auf jeden Fall eine Freiheitsstrafe ausgesprochen wird.
Die mit der Motion vorgeschlagene Lösung sei aber nicht befriedigend. Abate erinnerte daran, dass Mindeststrafen nur bei besonders schweren Verbrechen wie Tötung oder Vergewaltigung vorgesehen seien. Dabei seien keine Bagatellfälle möglich, sagte Beat Rieder (CVP/VS). Zudem gebe es bereits Gesetze, um Krawallmacher zu bestrafen. Claude Janiak (SP/BL) wies darauf hin, dass man dafür den Krawallmachern zuerst habhaft werden müsse.
Zeichen setzen
Peter Föhn (SVP/SZ) wollte die Motion annehmen. Es gehe darum, ein Zeichen zu setzen, auch aus Respekt vor den Polizistinnen und Polizisten, sagte er. Die «Krawallbrüder» würden mit Samthandschuhen angefasst. «Diese Gesetzesbrecher lachen uns aus», sagte Föhn. Die «linksextremen Gewaltexplosion» in Bern zeige, dass die Gewalt gegen Polizisten weiter zunehmen werde.
Mehrere bürgerliche Ständeräte schlossen sich ihm an. Die Polizistinnen und Polizisten müssten bei der Ausübung ihrer anspruchsvollen Tätigkeit so gut wie möglich geschützt werden, sagte Werner Luginbühl (BDP/BE).
Anders als die Kommission sah er kein Problem darin, dass diese einen höheren strafrechtlichen Schutz geniessen würden als gewöhnliche Bürger. Schliesslich gingen sie auch ein höheres Risiko ein, sagte Luginbühl.
Dazu könnten Polizistinnen und Polizisten ohne ausreichenden Schutz künftig nicht mehr bereit sein, sagte Filippo Lombardi (CVP/TI). «Die Stimmung ist am Absaufen», erklärte Roberto Zanetti (SP/SO), der den Solothurner Polizeibeamtenverband präsidiert. Er enthielt sich der Stimme. Hannes Germann (SVP/SH) hingegen stimmte der Motion trotz Zweifeln zu. Diese möge im Ansatz falsch sein, das Signal einer Ablehnung sei aber auch nicht unproblematisch, erklärte er.
Das Thema ist noch nicht vom Tisch. Neben den Standesinitiativen sind in der Nationalratskommission zwei parlamentarische Initiativen hängig. Diese fordern für Gewalttaten gegen Behörden oder Beamte eine Mindeststrafe von 3 Tagen. Zudem forderten alle Ständeräte, die sich zu Wort meldeten, rasch Vorschläge vom Bundesrat.
Vorlage in Aussicht
Die Polizistinnen und Polizisten müssten vor Gewalt geschützt werden, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Mit einem höheren Strafrahmen und einer Mindeststrafe sei das aber nicht möglich. Die Einführung von Mindeststrafen gelte für alle, auch für den betrunkenen Autofahrer, der bei einer Kontrolle ausfällig werde. «Das ist die Krux mit den Mindeststrafen».
Sommaruga erinnerte auch an die laufenden Arbeiten. Zur Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches wurde schon 2010 eine Vernehmlassung durchgeführt. Wegen der vom Parlament verlangten Änderung des Sanktionenrechts wurde diese aber aufgeschoben. Nun werden die Vorschläge noch einmal überarbeitet. Eine neue Vorlage komme bald, sagte Sommaruga.