Mit deutlichem Zähneknirschen und ebenso deutlichen 40 zu 2 Stimmen hat der Ständerat am Donnerstag dem Bundesrat grünes Licht zur Ratifizierung des Fluglärmvertrags mit Deutschland gegeben. Dort liegt der Vertrag allerdings auf Eis.
Schwierig an dem Vertragswerk wird daneben die innerschweizerische Verteilung des zusätzlichen Fluglärms, wie aus den Voten im Rat hervorging. Zusatzlärm über seinem Kanton nämlich will jeder Standesvertreter soweit wie möglich verhindern.
Verena Diener (GLP) hielt namens des Flughafenkantons Zürich schon einmal fest, dessen Bevölkerung trage bereits viele Lasten. Zusätzlicher Lärm komme auf sie zu, wenn zur dichtesten Verkehrszeit in den abendlichen Randstunden mehr Flugzeuge über ihre Köpfe brausen.
Standesvertreter aus der Ostschweiz und dem Aargau verlangten, dass der Lärm gerecht auf alle betroffenen Gebiete verteilt werde. Die Aargauerin Christine Egerszegi (FDP) hielt fest, über ihren Kanton gingen 69 Prozent aller Abflüge hinweg. Das sei indessen Gegenstand späterer Verhandlungen. Wichtig sei es jetzt, dem Bundesrat trotz der Sistierung des Vertrags in Deutschland den Rücken zu stärken.
Rat streut sich Asche aufs Haupt
Neben der Frage der Fluglärmverteilung beschäftigte auch Selbstkritik den Ständerat. Peter Bieri (CVP/ZG), 2003 bei der Ablehnung des ersten Staatsvertrags über den Flughafen Zürich mit Deutschland bereits im Rat, erklärte, damals habe das Parlament die Position gegenüber dem Nachbarland überschätzt.
Er hätte den Vertrag damals nicht ablehnen sollen, denn der nun vorliegende sei schlechter. Nun gelte es den „Knebelvertrag“ hinzunehmen, denn er – Bieri – sei schliesslich „lernfähig“. Markus Stadler (GLP/UR) warnte davor, Deutschland mit einer Ablehnung einen weiteren Steilpass für einseitige Verordnungen zu geben.
Einhellig kritisierte die kleine Kammer, die Staatsvertragsbedingungen für den Flughafen Zürich gingen weit über die innerdeutschen Standards hinaus. Ein dünnbesiedelter Landstrich werde zulasten von Ballungsräumen entlastet – etwas, was bei deutschen Flughäfen undenkbar wäre, sagte etwa Georges Theiler (FDP/LU). Das sei ein „unfreundlicher Akt, eine Diskriminierung“.
Keine Alternative
Verkehrsministerin Doris Leuthard erklärte, eine deutsch-schweizerische Lärmstudie habe die Belastung eindeutig auf Schweizer Seite geortet. Das nütze aber nichts, denn Kooperation sei gefragt. Mit dem Vertrag kämen Deutschland und die Schweiz wieder auf Augenhöhe, denn „unilaterale Massnahmen sind unwürdig“.
Wolle der Flughafen Zürich weiterhin internationale Drehscheibe bleiben, sei er auf Zusammenarbeit angewiesen. Verhandlungen über die Fluglärmverteilung innerhalb der Schweiz müssten neben dem Lärm auch die Sicherheit des Flugbetriebs und die Flughafenkapazitäten berücksichtigen. Die Vorlage geht an den Nationalrat.
In Deutschland liegt der Vertrag auf Eis
Mit dem Staatsvertrag wollen die Schweiz und Deutschland den jahrelangen Fluglärmstreit beilegen. Anflüge auf den Flughafen Zürich würden ab 18 Uhr – drei Stunden früher als heute – nicht mehr über süddeutsches Gebiet abgewickelt. Deutschland würde dafür auf eine zahlenmässige Beschränkung der Anflüge verzichten und am Morgen Anflüge eine halbe Stunde früher zulassen.
Der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer legte jedoch die Ratifikation des Abkommens Ende November auf Eis, nachdem aus dem Bundesland Baden-Württemberg heftiger Widerstand laut geworden war. Von Deutschland geforderte Nachverhandlungen lehnt die Schweiz ab. Bundesrätin Leuthard zeigte sich indes bereit, offene Fragen zu klären.
Schweiz blitzt ab
Fast zeitgleich mit der Abstimmung in der kleinen Kammer blitzte die Schweiz mit ihrer Flugverkehrsbeschwerde bei der EU endgültig ab: Der EU-Gerichtshof (EuGH) wies in zweiter und letzter Instanz ihre Beschwerde gegen die deutsche Verordnung zum Flugverkehr aus dem Jahr 2003 ab.
Gemäss EuGH-Entscheid vom Donnerstag verstossen Verbote und Beschränkungen für den Anflug über deutsches Hoheitsgebiet nicht gegen das Luftverkehrsabkommen zwischen der Schweiz und der EU.
In einer Mitteilung zum Urteil hält der Gerichtshof fest, die deutschen Massnahmen implizierten „kein Verbot des Durchflugs des deutschen Luftraums“, sondern bedingten bloss eine Änderung der Flugrouten nach dem Start und vor der Landung am Flughafen Zürich.
Wie bereits die Vorinstanz ist der EuGH der Ansicht, bei der Prüfung der deutschen Massnahmen sei es nicht erforderlich gewesen, „die Rechte des Betreibers und der Anwohner des Flughafens Zürich zu berücksichtigen“, so die Mitteilung.
Der Gerichtsentscheid zur Verordnung hat keinen Einfluss auf den Fluglärmvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland.