Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen: Das könnte künftig auch der Schweizer Nachrichtendienst tun. Der Ständerat dürfte dem Nationalrat folgen und dem neuen Nachrichtendienstgesetz zustimmen. Am Donnerstag hat er erste Entscheide gefällt.
Die neuen Überwachungsmöglichkeiten stossen auf breite Zustimmung, sämtliche Rednerinnen und Redner der bürgerlichen Parteien sprachen sich dafür aus. Die Vertreter der SP und der Grünen machen ihre Zustimmung von den Detailentscheiden abhängig. Nur Paul Rechsteiner (SP/SG) und Christian Levrat (SP/FR) lehnen das neue Gesetz ohne Wenn und Aber ab. Sie wollten gar nicht erst auf die Vorlage eintreten.
Eingriff in die Grundrechte
Die Schweiz stehe vor einem Grundsatzentscheid, sagte Rechsteiner – dem Entscheid, ob nach den Enthüllungen zur Massenüberwachung durch den US-Geheimdienst NSA auch sie den Nachrichtendienst mit sämtlichen Überwachungsmöglichkeiten ausstatten wolle.
Niemand bestreite, dass Gefahren, wie sie beispielsweise vom «Islamischen Staat» ausgingen, bekämpft werden müssten. Dafür seien aber die Strafverfolgungsbehörden da, die bei konkretem Verdacht Überwachungsmassnahmen anordnen könnten. «Es ist falsch, ohne den geringsten Tatverdacht mit Wanzen und Trojanern in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre einzudringen», befand Rechsteiner.
Sicherheit erhöhen
Joachim Eder (FDP/ZG) widersprach. «Wenn man die Sicherheit aller erhöhen will, muss man bereit sein, gewisse minimale Einschränkungen der Freiheit in Kauf zu nehmen», sagte er. Kein Nachrichtendienst sei so gut kontrolliert wie der Schweizer Nachrichtendienst. «Müssen wir warten, bis etwas passiert?», fragte Paul Niederberger (CVP/NW).
Aus Sicht der Mehrheit ist Überwachung nötig, weil die Welt gefährlicher geworden ist. Anschläge im Ausland hätten gezeigt, dass terroristische Organisationen die Sicherheit massiv gefährden könnten, sagte Alex Kuprecht (SVP/SZ) im Namen der Kommission. Derartige Bedrohungen riefen nach Massnahmen.
Ja zur Kabelaufklärung
Im neuen Gesetz ist die Kabelaufklärung vorgesehen: Der Nachrichtendienst soll neu grenzüberschreitende Signale aus Internetkabeln erfassen dürfen. Damit könnte ins Visier des Dienstes geraten, wer bestimmte Begriffe googelt oder in E-Mails erwähnt. Die Gegner warnten, dies führe zu einer verdachtsunabhängigen Massenüberwachung. «Wir öffnen ein gewaltiges Scheunentor», sagte Anita Fetz (SP/BS).
Rechsteiner stellte fest, der Schweizer Nachrichtendienst würde damit im Kern dasselbe tun wie die NSA. Sein Antrag, die Kabelaufklärung nicht zu erlauben, war aber chancenlos, er wurde mit 29 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt. Die Mehrheit vertrat die Ansicht, gerade die Internetüberwachung sei wichtig. Der Vergleich mit der NSA sei daneben, sagte Verteidigungsminister Ueli Maurer. Diese sammle alles. «Wir aber suchen nach der Nadel im Heuhaufen.»
Illegales nur mit richterlicher Erlaubnis
Umstritten war im Ständerat, für welche Massnahmen der Nachrichtendienst eine richterliche Erlaubnis einholen muss. Nach dem Vorschlag des Bundesrates wären Massnahmen wie das Verwanzen von Privaträumen oder das Eindringen in Computer im Inland genehmigungspflichtig. Zustimmen müssten jeweils der Präsident der zuständigen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts und der Verteidigungsminister.
Nach dem Willen des Ständerates soll auch dann ein Richter zustimmen müssen, wenn der Nachrichtendienst in Computer im Ausland eindringt. Der Rat hiess eine entsprechende Ergänzung mit 34 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung gut. Maurer rief den Rat vergeblich dazu auf, darauf zu verzichten. Das Eindringen in Computer im Ausland sei illegal, gab er zu bedenken. Und ein Gericht werde nie einem illegalen Akt zustimmen. Mit der Ergänzung wäre das Eindringen in Computer im Ausland also nicht möglich.
Keine Verschärfung für Drohnen
Die Ständeratskommission hätte im Gesetz verankern wollen, dass auch für Aufnahmen mit Drohnen eine richterliche Erlaubnis nötig ist, wenn es um Bild- oder Tonaufnahmen geht, welche die geschützte Privatsphäre betreffen. Der Rat lehnte dies jedoch mit 21 zu 15 Stimmen ab – obwohl Maurer feststellte, die Ergänzung könnte der Beruhigung dienen.
Klarer regeln will der Ständerat dagegen, wann Erkenntnisse an andere Behörden weitergegeben werden dürfen und müssen. So soll der Nachrichtendienst Erkenntnisse unaufgefordert den Strafverfolgungsbehörden weiterleiten, wenn diese zur Verhinderung schwerer Straftaten dienen.
Neue Aufsichtsinstanz
Aus zeitlichen Gründen konnte der Ständerat am Donnerstag das Gesetz nicht zu Ende beraten. Er wird dies kommenden Mittwoch tun. Noch nicht entschieden hat er über die neue Aufsichtsinstanz, welche die vorberatende Kommission schaffen möchte. Er dürfte dazu aber ja sagen.
Nach dem Willen der Kommission würde die Aufsichtsinstanz prüfen, ob der Nachrichtendienst rechtmässig, zweckmässig und wirksam handelt. Die Kommission sieht den Ausbau der Aufsicht als Gegengewicht zu den neuen Kompetenzen des Nachrichtendienstes.