Ein weiteres Gesundheitsdossier von Bundesrat Alain Berset liegt auf der Intensivstation. Von neuen nationalen Qualitätsmassnahmen in der Medizin will der Ständerat nichts wissen. Er ist nicht auf eine entsprechende Vorlage eingetreten.
Die kleine Kammer sprach sich am Donnerstag mit 27 zu 16 Stimmen gegen Änderungen im Krankenversicherungsgesetz (KVG) aus, welche die Qualität und Wirtschaftlichkeit stärken sollen. Entscheidet der Nationalrat gleich, ist das Projekt gescheitert.
Das ist durchaus wahrscheinlich. Im Ständerat unterstützte nur die SP geschlossen das Gesetz ihres Gesundheitsministers und wollte dieses im Detail beraten. Die Mitte-Rechts-Mehrheit bezeichnete die Vorlage dagegen als unnötig.
Es wäre nicht der erste erfolglose Anlauf zur Stärkung der Qualität im Gesundheitswesen: Vor einigen Jahren hatte es der Bundesrat mit dem Präventionsgesetz versucht. Dieses war aber 2012 im Parlament gescheitert. Gründe waren die Kosten und der Eingriff in kantonale Zuständigkeiten.
Gesetz auf Antrag des Parlaments
Schon in der Vernehmlassung waren die neusten bundesrätlichen Vorschläge auf Skepsis gestossen. Dabei wurden diese zum grossen Teil aus überwiesenen parlamentarischen Vorstössen heraus geboren. «Ich erinnere Sie daran, Sie wollten dieses Gesetz», sagte Berset im Ständerat.
Der Bundesrat schlägt vor, die nationalen Qualitätsprogramme auszubauen. Diese sollen Spitäler oder Ärzte dabei unterstützen, ihre Behandlungsprozesse zu verbessern, damit Fehler vermieden werden können. Als Beispiel dient ein Pilotprogramm in der Chirurgie: Mittels Checklisten soll verhindert werden, dass Patienten am falschen Körperteil operiert oder mit Kompressen im Bauch zugenäht werden.
Nicht nötig
Das sei unnötig, befand eine Mehrheit im Ständerat. Der Bund habe bereits genügend Instrumente zur Qualitätssicherung. «Die neuen Regelungen würden nicht mehr Menschenleben retten und auch die Zahl der Kunstfehler nicht reduzieren», sagte Kommissionssprecher Konrad Graber (CVP/LU). Vielmehr sollten die geltenden Bestimmungen durch- und umgesetzt werden.
Hans Stöckli (SP/BE) konterte, dass die Qualität in der Medizin in der Schweiz nicht über alle Zweifel erhaben sei. «Die Hälfte der unerwünschten Ereignisse wäre vermeidbar, hätten wir die dafür notwendigen Instrumente.» Das heutige geltende Gesetz regle weder die Aufsicht über die Leistungserbringer noch die Finanzierung. Stöckli sprach von einer «Lex imperfecta».
20 Millionen pro Jahr
Laut dem Bundesrat sollen die Qualitätsprogramme nämlich auch dazu beitragen, die Kostensteigerung in der Krankenversicherung zu dämpfen, wie Gesundheitsminister Berset sagte. Zur Umsetzung der Massnahmen schlägt der Bundesrat eine dauerhafte Finanzierungsregelung vor: Für die nationalen Programme und Projekte sowie Grundlagenarbeiten soll ein Budget von rund 20 Millionen Franken pro Jahr zur Verfügung stehen.
Die Finanzierung würde über einen jährlichen Beitrag der Versicherten von maximal 0,07 Prozent der durchschnittlichen Jahresprämie erfolgen. Dies bedeutet laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) derzeit pro Versicherten höchstens rund 3.50 Franken im Jahr. «Ich bin aber auch offen für Alternativvorschläge», sagte Berset. Im Rahmen der Detailberatung könne darüber diskutiert werden.
Nicht sachgerecht
Doch die Mehrheit im Ständerat wollte nichts davon wissen. «Die vorgeschlagene Finanzierung ist nicht sachgerecht, auch nicht mit anderen Modellen», sagte Graber. Die heutigen Tarife müssten für die Qualitätssicherung genügen. Ein Zuschlag auf den Krankenkassenprämien sei dagegen unverständlich. «Für Medikamente oder Nahrungsmittel gibt es das auch nicht.»
Karin Keller-Sutter (FDP/SG) anerkannte zwar den Willen des Bundesrats, eine mehrheitsfähige Vorlage zu erarbeiten. «Es ist schwierig, in diesem Bereich eine Lösung zu finden, die allen passt.» Das Thema sei mit dem Nichteintreten aber nicht vom Tisch. Tatsächlich sind allen voran die Kantone der Meinung, dass die heutigen gesetzlichen Grundlagen nicht ausreichen.