Stalinismus pur?

Schlumpf-Erfinder Peyo würde am 25. Juni 85 Jahre alt. Die einen sind begeistert von seinen süssen Geschöpfen. Andere erkennen in Schlumpfhausen dagegen ein totalitäres System.

Allseits beliebt trotz dunkler Vergangenheit: Schlumpfine

Schlumpf-Erfinder Peyo würde am 25. Juni 85 Jahre alt. Die einen sind begeistert von seinen süssen Geschöpfen. Andere erkennen in Schlumpfhausen dagegen ein totalitäres System.

Vor gut zwei Jahren zog das Grauen im beschaulichen Schlumpfhausen ein. In seiner Publikation «Le petit livre bleu» rechnete der französische Politikwissenschaftler Antoine Buéno mit der heilen Welt der Schlümpfe ab. Er bezeichnete die Gesellschaft der Schlümpfe als ein «Archetyp totalitärer Utopie» und deckte kommunistische und nationalsozialistische Anspielungen auf, die sich durch die Geschichten rund um die blauen Knirpse ziehen. Er wolle eine «neue, spielerische Auseinandersetzung mit den berühmten blauen Wichten ermöglichen», so Buéno.

Seine soziologischen Betrachtung zeigt einen Papa Schlumpf, der in seinen roten Hosen und dem Marx-Bart als Personifikation Stalins das Schlumpfenland regiert. Dazu kommen 99 unterwürfige Schlümpfe, die ähnlich arbeitender Gulag-Häftlinge ständig mit dem Bauen irgendwelcher Brücken beschäftigt sind. Gargamel, der buchstäblich grosse Feind der Schlümpfe, ist eine «antisemitische Karikatur», die es mit seiner Katze Azrael (man beachte die Ähnlichkeit zu «Israel») auf die Schlümpfe abgesehen hat. Die einzig weibliche Bewohnerin Schlumpfine hingegen ist das arische Ideal, das sich zwar nicht sexuell auf die männlichen Schlümpfe einlässt, ansonsten aber jedes Klischee eines Blondchens erfüllt (Schlumpfine wird übrigens im Kinofilm von Katy Perry gesprochen).

Über die Bedeutung dieser reisserischen Beobachtungen lässt sich streiten. Bei Schlumpfine zumindest hat Buéno teilweise Recht: Sie ist ein asexuelles Wesen, als Frau nur an ihren langen blonden Haaren (die schwarz waren, bevor Papa Schlumpf sie von einer Gargamelschen Tötungsmaschine in einen Schlumpf verwandelt – siehe Box) erkennbar.

Der Rest der Schlümpfe ist jedoch ein heiteres Volk, das fern von irgendwelchen Gulag-Assoziationen ein idyllisches Leben führt und bei uns als lustige Kerlchen auf Bettwäsche und CDs bekannt ist (man erinnere sich an die schrillen Schlumpflieder der Neunziger, wo penetrante Schlumpfstimmen die Coolheit von «Tekkno» besingen).

Schlumpfine

Gargamels Rezept gegen die «widerliche Heiterkeit» der Schlümpfe:

  • 1 Prise Zucker
  • scharfe Gewürze
  • 21 Gramm Krokodilstränen
  • ein halbes gezinktes Kartenspiel
  • das Gekrächze einer Elster
  • ein harter Stein (für das Herz)

Alles kräftig mischen, teuflisch lachen, mit der Katze reden, Resultat als Kampfmaschine rekrutieren, auf kleine Blauhäuter loslassen. Aufpassen vor den Zaubersprüchen stalinistischer Rothosen!

Das einzig wirklich Despotische an den Schlümpfen ist ihre Sprache: Ohne Erbarmen wird jedes Wort mit «Schlumpf» versehen, die Schlümpfe schlumpfen schlumpfig, beschlumpfen schlumpfend, entschlumpfen schlumpfvoll und verschlumpfen schlumpfgemäss. In mehr als 50 Comic-Alben und 400 Fernseh-Episoden.

Der Vater der Schlümpfe ist der belgische Zeichner Pierre Culliford alias Peyo, der 1958 die Schlümpfe als Nebenfiguren für einen Comic im Mittelalter erfand. Peyo war ein Fan scherzhafter Wortschöpfungen. Sein englischsprachiger Cousin konnte seinen Namen nicht richtig aussprechen, und aus Pierre wurde Peyo. Einige Jahre später witzelte Peyo am Esstisch herum und verlangte nach Schtroumpf anstatt Salz. Das neue Wort blieb hängen und die blauen Comicfiguren Les Schtroumpfs genannt.

Ob Peyo bei Buénos stalinistischer Schlumpfdiagnose ähnlich Humor bewiesen hätte, werden wir nie erfahren. Er starb knapp zehn Jahre vor dem kleinen blauen Buch an Herzversagen und hätte heute, am 25. Juni 2013, seinen 85. Geburtstag gefeiert.

Nächster Artikel