Die überaus freundlichen Wirtsleute im Cerf von Winkel bescheren uns einen schönen Start in den Tag – und dann geht es bald auf die letzte Tageswanderung der ersten Reisehälfte. Sie führt heim nach Birsfelden.
Ein frischer Sommermorgen im abgeschrägten Dachzimmer des Hotels Hirschen – ein freundlicher Ort schon deshalb, weil niemand zu frühem Frühstück drängt, sondern die Gäste gefragt werden, wann es serviert werden könne. Der Wirt selbst bedient, bringt selbstgebackenes Brot, Bauernbrot und nicht schnell trocknende Baguettes.
Wir spazieren ein Stück weit in den Wald hinauf, plaudern, geniessen leichte und unbeschwerte Stunden.
Nach dem Mittag breche ich auf, Monika fährt nach Zürich. Bin mir noch nicht sicher, ob ich die letzte Strecke bis nach Hause an diesem Tag hinter mich bringen will – doch Schritt für Schritt wird mir klarer, dass ich heute nicht mehr unterwegs übernachten werde. Zünde in der Winkeler Kapelle zwei Kerzen an und dann wandere ich drauflos. Durch Fluren mit seltsamen deutschen Namen: „Hintere Birsmatte“, „Beim Eichwaeldelin“, am „Kalmiswald“ vorbei, alles hinter einem Hügelzug parallel zur Strasse von Winkel über Raedersdorf nach Wolschwiler.
Brasilien schlägt Deutschland
Um halb vier fährt ein Elsässer heran, parkt an einer Raststätten, wo ich mich auch gerade niedergelassen habe. Er lässt den Hund aussteigen, lässt ihn herumtollen und beginnt zu plaudern. Normalerweise gehe er früher spazieren, doch hatte habe er den WM-Final noch geschaut. Nun sei er zu Ende. Brasilien habe die Deutschen zwei zu null geschlagen. Kahn, der Torhüter, sagt er, habe alles versaut. Ich komme nicht draus, ob er sich daran freut oder ob er es bedauert. Aber interessiert mich eigentlich nur mässig, wir plaudern ein wenig. Er fragt mich nach Ziel und Herkunft, staunt ein bisschen, dass er einen, der durch halb Europa gewandert ist, so kurz vor seiner Heimatstadt antrifft. Vielleicht hält er mich auch für einen Schwindler. Er sagt Adieu und schlendt mit dem Hund davon.
Eigentlich wollte ich in Wolschwiler einkehren, aber es hält mich nichts mehr, ich verspüre Stalldrang und eile am Bistro vorbei. Weiter den Hügel zur Kirche hinan und direkt Richtung Rodersdorf. Ein prächtiger Sommertag, kühler als die der letzten Wochen, herrlich zum Wandern, und vorn liegt die Grenze, die ich nun zum wiederholten, aber um Viertel nach fünf für einige Zeit zum letzten Mal überschreiten werde.
Bei einbrechender Dunkelheit
Rodersdorf – dieser herausgeputzte Fleck! Sieht alles sehr bieder aus. Wandere der Tramlinie entlang nach Leymen, weiter nach Flüh, in einem Affentempo. In Ettingen komme ich mir etwa deplatziert vor mit meinem Rucksack, so deplatziert, dass ich ins Tram steige und mich bis zum Dreispitz chauffieren lasse. Dort wieder hinaus, hinuter zur Birs und bei einbrechender Dunkelheit stehe ich vor unserem Garten.
Und dort, hinter dem Gartenhag, ist recht was los. Rino hat sich nicht nur mit seinen Freunden Livio und Flo schön und prächtig in der Wohngemeinschaft eingelebt. Da sind noch ganz viele andere. Sie haben den WM-Final geschaut und danach das eine oder andere Bierchen getrunken, eine prächtige Glut in r Feuerstelle zeugt von gehabter Grilerei – eine schöne Begrüssung, alles ein bisschen chaotisch – aber herzlich, sehr, sehr herzlich. Sie lachen mich ein bisschen aus wegen der grossen Wanderschuhe an so einem heissen Tag und an einem so flachen Flussufer, dann behaupten sie, die Wanderei habe mir den Speck von den Knochen gezerrt, was in eben diesen Wanderschuhen etwas unproportioniert aussehe. Und vor allem sind sie überrascht, mich plötzlich hier zu sehen, ich bin es ja eigentlich auch, wir plaudern, erzählen . . .
(Birsfelden, 30. Juni 2002)