Das Volumen der Challenge League ist grösser denn je. Nicht nur der FC Zürich betreibt einen gewaltigen Aufwand, mehrere Klubs investieren hohe Millionen-Beträge.
Wils wirtschaftliche Reichweite beispielsweise ist bekannt, die hohen Ziele der türkischen Besitzer um den steinreichen Unternehmer Mehmet Nazif Günal ebenso. Zahlen veröffentlicht Wil keine. Expertenschätzungen variieren zwischen 10 und 14 Millionen Franken.
Die Ostschweizer Auswahl dürfte durchaus in der Lage sein, das Gros der Gegner vor Probleme zu stellen. Mert Nobre, einer der hoch dekorierten Stars, ist zwar abgesprungen, aber mit dem Zuzug von Steaua Bukarests Innenverteidigers Paul Papp hat Wil Leadership eingekauft. Neu steht der frühere Galatasaray-Profi Ugur Tütüneker an der Linie; seine Arbeitspapiere sind gültig. Der ehemalige Bayern-Amateur ist nach 18-jährigem Trainerengagement in der Türkei erstmals ausserhalb seines Heimatlandes als Coach tätig.
Noch immer überwiegt im Umkreis von Wil aber die Skepsis. Zu oft ist der Klub in den letzten Dekaden wegen obskurer Finanzgeschäfte im Schlamassel versunken. Was im Einzugsgebiet der Traditionsmarke FC St. Gallen zu bewegen ist, bleibt offen. Die Resonanz blieb in der vergangenen Kampagne bescheiden: 1332 Zuschauer pro Partie.
Winterthurer Lohndruck
Gut aufgestellt scheint der FC Aarau zu sein. Eine solide Bilanz, rund sechs Millionen wirft der Gesamtverein auf, ein ansprechendes Kollektiv und Marco Schällibaum, der als Coach alle Facetten und Nivellierungen des Geschäfts kennt. Alfred Schmids präsidiale Vorgabe passt zum kleinen, aber feinen Ex-Super-League-Stammklub: «Wir müssen nicht aufsteigen, aber wir wollen.»
In Winterthur sind sie durch das Wettrüsten im Osten etwas unter Druck geraten. Günstige Transfergelegenheiten werden rarer, das Geld knapper. Besitzer Hannes W. Keller tritt in einem Jahr endgültig ab – ein letztes Mal pumpt der Gönner bis zu 1,2 Millionen Franken in seinen Verein.
«Wir spüren, dass andernorts sehr gute Gehälter bezahlt werden», sagt Andreas Mösli, der beim FC Winterthur seit bald 13 Jahren operativ den Takt vorgibt. Ihm schwebt vor, «dass wir eine ähnliche Rolle wie Wales oder Island spielen». In Schaffhausen tönt es ähnlich. Mit einer Equipe, die gemäss Trainer Axel Thoma «keine zwei Millionen kostet» und einem «sehr guten Projekt» – der Klub bezieht Anfang 2017 eine neue Arena.
Die Talente von Servette
Zusammen mit Winterthur und Schaffhausen träumen auch die Romands davon, als Aussenseiter für Schlagzeilen zu sorgen. Xamax hat indes mehrere Schlüsselfiguren verloren – nach drei Aufstiegen und der Top-2-Klassierung beim Comeback im nationalen Profi-Fussball steht eine Phase der Konsolidierung an.
Servette hat dank der Millionen der Rolex-Stiftung Wilsdorf zwar viel vor, aber derzeit ausser Alexandre Alphonse (34) keine meisterliche Namen zu bieten. Das grösste Plus ist das Centre de Formation der Genfer. Auf allen nationalen Junioren-Stufen gehören die Grenats zur Topklasse; in der Nachwuchs-Champions-League schaltete die U18 im letzten Herbst den FC Villarreal aus.
Nur sind die Juwelen von Servette kaum mehr zu halten: Jérémy Guillemenot (18) wechselt in die Juniorenabteilung des FC Barcelona, Lorenzo Gonzalez (16) setzt seinen Weg bei Manchester City fort.
5000 Saisonkarten
Ob der im Frühling vor allem instabile FC Zürich seinen Niedergang in die Zweitklassigkeit tatsächlich bewältigt hat, wird sich weisen. Der zunächst grenzenlose Frust der Anhänger ist inzwischen Optimismus gewichen. 5000 Saisonkarten hat der Klub abgesetzt, die Fans reichen der Equipe nach Wochen der Zerrüttung quasi die Hand, und Uli Forte ist überzeugt: «Wir treten überall mit einem 12. Mann an.»
Guten Support hat der Cupsieger vermutlich nötig. Für die Zürcher Prominenz bahnen sich schwierige Monate an. «Uns rollt niemand den roten Teppich aus», so Forte. Das für Challenge-League-Verhältnisse luxuriös und doppelt besetzte Kader hat in der Provinz auf teilweise zweitklassigen Terrains mit erbittertem Widerstand zu rechnen. Das Kontrastprogramm wird im Herbst erheblich sein – im feinen Zwirn zum Europa-League-Dinner, dann wieder grauer Alltag gegen den vor zehn Jahren fünftklassigen FC Le Mont oder im baufälligen Stadio Comunale Chiassos im Südtessin.
Der abgestürzte FCZ wird lernen müssen, die Prioritäten richtig zu setzen. Coach Forte kommuniziert in dieser Beziehung klipp und klar: «Für mich gibt es nur etwas, das zählt: die Challenge League. Alles andere ist das Dessert.» Wegen des europäischen Intermezzos das Tagesgeschäft aus den Augen zu verlieren, ist für den 42-Jährigen keine Option.
Auf einen Totalumbau hat Forte verzichtet, viele der Verlierer stehen weiterhin auf der üppigen Lohnliste. Das Management um Klubchef Ancillo Canepa senkte den Aufwand nicht, auch wenn der Umsatz unter die 20-Millionen-Marke fallen dürfte. Der FCZ reicherte seine Equipe mit mehreren älteren Charakterköpfen an.
«Wir brauchen jetzt erfahrene Leute, die wissen, wie die Liga tickt», sagt Forte und will einen «giftigen und galligen» FCZ sehen, der nicht «ein bisschen durch die Challenge League spaziert».