Eindrückliche Videos, laszive Tänzer und eine wuchtige Teppich-Skulptur: Die diesjährigen «Statements» werden ihrem Namen gerecht.
Wer dieses Jahr die «Statements» sucht, muss sich erstmal neu orientieren: Der kleine Sektor der Art ist nämlich nicht mehr wie in den früheren Jahren in der «Unlimited», sondern in der Halle zwei, bei den Galerien. Das ist schade: Wer in früheren Jahren jeweils nur die (meist viel entspanntere) «Unlimited» besuchte, machte immer noch spontan einen Abstecher zu den «Statements» – jetzt geht dieser durchaus sehenswerte Sektor schnell vergessen.
Dabei sind die «Statements» einen Besuch wert: Es ist der Sektor für die «new and emerging» Künstler, die aufstrebenden Talente. Jede Galerie zeigt einen Künstler in einer Mini-Messe-Einzelausstellung. Die Booths sind kleiner, die Galerien meist auch. Eine Art Gnadensektor, der immer kleiner wird (letztes Jahr waren es noch 24 ausstellende Galerien, dieses Jahr reichte es nur für 10) : Die ganz grosse Messe soll es noch nicht sein, aber einen Fuss dürft ihr schon reinstellen. Dieses Jahr im wahrsten Sinne des Wortes.
Baloise-Preis: Startkapital für junge Künstler
Zusätzlich wird jedes Jahr an den «Statements» der Baloise Kunst-Preis vergeben. Die mit 30’000 Franken dotierte Auszeichnung hat schon Grössen wie Ryan Gander und Tino Sehgal den nötigen Startzuschuss beschert – beide sind auch jetzt an der Art Basel zu sehen, Gander im Booth der Lisson Gallery und Seghal im Performance-Projekt «14 Rooms».
Dieses Jahr geht der Preis an den schwedischen Künstler John Skoog (*1985) mit seiner Videoarbeit «Reduit (Redoubt)». Skoog erzählt die Geschichte von Karl-Göran Persson, einem Bauer, der in den frühen 40er-Jahren einen Angriff der Russen fürchtete und als Schutzmassnahme sein Haus in einen Bunker verwandelte, in dem er und die Menschen aus seinem Dorf im Falle eines Angriffs Schutz finden würden. Knapp 35 Jahre hielt Persson das Projekt aufrecht und lebte allein in dem mit ausrangiertem Metall eingekleideten Bauernhaus – bis zu seinem Tod 1975.
John Skoog lässt die Kamera um das heute verlassene Gebäude schweifen und unterlegt sie mit Audio-Fragmenten, die aus Perssons Leben erzählen: Zwei Frauenstimmen erzählen wie der alte Mann Berge von altem Metall herbeischaffte, wie er ein Hüne von einem Mann gewesen sei und dass sie sich als Kinder oft vor ihm gefürchtet hätten. Es ist eine persönliche Studie, die sich leicht und unaufdringlich auf die Landschaften und die Geschichte Schwedens ausweitet – eine ruhige und sorgfältige Arbeit, für die es sich lohnt, eine Viertelstunde lang im kleinen Raum zu sitzen und der Geschichte dieses ausserordentlichen Mannes zu folgen.
Tönerne Lappen, jubelnde Performer
Eine andere Arbeit, bei der es sich lohnt, näher hinzuschauen, sind die «Atopos AZ-paño» der chilenischen Künstlerin Paula de Solminihac: Fast die Hälfte der Wand bei der Isabel Aninat-Galerie ist bedeckt von lederartigen Lappen, die, wie sich auf den zweiten Blick herausstellt, gar nicht aus Leder, sondern aus Ton sind. In die Lappen sind verschiedene Wörter eingeschnitten: «envidia» (Neid), «secreto»(Geheimnis) oder «dolor» (Schmerz) – Wörter, die versuchen, menschliches Leben zu übersetzen und lebendig und treffend scheinen, aber letzten Endes in ihrem Übersetzungsversuch scheitern und erstarren – eben so wie Tongebilde.
Keinesfalls erstarrt ist hingegen die Arbeit von Christian Falsnaes – eine performative Audio-Installation, was soviel bedeutet wie: Es liegen Kopfhörer herum, man soll die anziehen und machen, was einem die Stimme so alles befiehlt. Was dabei rauskommt, ist manchmal lustig und beizeiten auch etwas unheimlich: Sich fremde Menschen (obwohl 2 «Performer» von der Galerie angeheuert wurden und ständig am Befehle ausführen sind) jubeln sich zu, umarmen sich, tanzen lasziv, vollführen groteske Bewegungen. Da kann man mitmachen oder einfach auch einfach nur zuschauen, wie andere Menschen aus sich raus gehen und man selbst daneben steht und starrt.
Zur Kunst gebändigt
Auch bei der Galerie Kate Werble aus New York kann man nicht anders, als hinzuschauen: Gleich rechts vom Eingang der Statements steht Anna Betbezes «Untitled (Pillow)», ein gewaltiges kissenartiges Ding, ein Flokatiteppich, gefärbt, teilweise durchgebrannt und aufgebauscht. Eine bemerkenswerte Skulptur, der die Anstrengung, mit der sie entstand, auf die einst flauschige Oberfläche geschrieben steht: Ein «regelrechter Kampf» sei diese Arbeit gewesen, erzählt die Galeristin. Betbeze musste verschiedene Verfahren anwenden, um den Teppich regelrecht in die Kunst hineinzubändigen.
Weitaus entspannter mutet da «Measuring the Circle» an, eine Videoarbeit auf zwei Bildschirmen der amerikanischen Künstlerin Ellie Ga: Auf dem einen Bildschirm erzählt sie die Geschichte des versunkenen Leuchtturms von Pharos, eine Art Reisecollage aus alten Fotografien, Interviews und anderem dokumentarischen Material. Der andere Bildschirm zeigt ein «Stomachion», das archimedische Puzzlespiel, in dem 14 Plättchen sich in immer wieder neuen Kombinationen zu einem Quadrat legen lassen. Zu sehen ist Gas Hand, die halbtransparente Bilder des anderen Bildschirms als Puzzleteile benützt, die sie immer weiter aufeinanderlegt und so immer neue Formationen parallel zur Leuchtturm-Erzählung entstehen.
Ob Tonskulpturen, die das Prinzip von Übersetzung hinterfragen oder mathematisch-ergänzte Erzählungen über mystische Leuchttürme: Die Arbeiten in den «Statements» sind dieses Jahr zwar nicht immer ganz einfach zu verstehen, aber wer Zeit und Geduld hat, soll sich an sie erinnern, sich in die Wirren der Halle 2 begeben und den S-Sektor aufsuchen – es lohnt sich.