Wenige Tage vor ihrer nächsten geldpolitischen Lagebeurteilung sind alle Blicke auf die Schweizerische Nationalbank gerichtet. Bei anhaltender Frankenstärke nach dem Ende der Euro-Untergrenze rechnet Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt mit dem Verlust von 30’000 Jobs.
Der Arbeitgeberverband gehe für die nächsten sechs bis neun Monate von einem Verlust von 30’000 Stellen aus, wenn der Kurs zum Euro bei 1.05 Franken bleibe, sagte Vogt der NZZ am Sonntag. Die Arbeitslosenquote sieht er Ende Jahr bei 3,6 bis 4 Prozent. Das ist etwas mehr als das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) erwartet.
Vogt begründet seine Prognose mit Rückmeldungen aus der Wirtschaft. Er höre von vielen Firmen, dass die Bestellungen um 10 bis 15 Prozent eingebrochen seien – darunter befänden sich vor allem auch Firmen aus Branchen, die als gute Konjunkturindikatoren gelten.
Exporteinbruch wie noch nie
Unter anderem auch die Pharma-, Chemie- und Nahrungsmittelindustrie, sonst verlässliche Wachstumstreiber, müssen derzeit mit Export-Einbrüchen umgehen, wie Branchenvertreter der SonntagsZeitung sagten. Die Abwärtsbewegungen bei den Exporten seien noch nie so stark gewesen, teilte die Eidgenössische Zollverwaltung mit.
«Die Situation ist ernst», sagte auch Jan-Egbert Sturm, Leiter der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH. Der Franken sei nach wie vor überbewertet. Er vermute, die Nationalbank habe nicht damit gerechnet, dass er so lange so stark bleibe, sagte der Ökonom im Interview mit der Schweiz am Sonntag. Daher seien die Sorgen der Industrie verständlich.
Aufgrund der KOF-Prognosen rechnet Sturm ebenfalls mit einem Verlust von zehntausenden Stellen: Ende Jahr dürften es 40’000 weniger sein als mit dem Mindestkurs zu erwarten gewesen wären, sagte er. Zwar dürfte der erste Schock bald verdaut sein, doch noch seien nicht alle Umstellungen bei den Firmen erfolgt.
Wirtschaft muss sich anpassen, Politik soll helfen
Wie die Nationalbank darauf reagieren soll, ist indes umstritten. Einen neuen Mindestkurs einzuführen, hält Sturm derzeit für schwierig. Die Schweiz werde sich wohl mit der Situation abfinden müssen. Es sehe so aus, dass sich der Wechselkurs nicht an die reale Wirtschaft anpasse. «Es wird wohl eher die reale Wirtschaft sein, die sich auf den Wechselkurs einstellen muss», sagte er.
Arbeitgeber-Präsident Vogt sieht nicht die Nationalbank in der Pflicht, sondern die Politik: «In Bern haben die Parteien noch nicht erkannt, wie angespannt die Lage ist.» Es brauche jetzt und nicht erst nach den Wahlen im Herbst «klare Signale für die Wirtschaft». Es gelte nun, pragmatische Lösungen zu finden, welche die Rahmenbedingungen für die Unternehmen nicht weiter verschlechtern.
Coop-Chef fordert neue Kursgrenze
Einen neuen Mindestkurs würde dagegen Joos Sutter, Chef des Grossverteilers Coop, begrüssen: «Die Nationalbank sollte die Anbindung des Frankens an einen Währungskorb prüfen», sagte er im Interview mit dem SonntagsBlick.
Alle Nationalbanken der Welt betrieben eine expansive Geldpolitik, nur die Schweiz nicht. Das sei schwer nachvollziehbar. «Es ist schlicht nicht möglich, eine Preisveränderung von 15 Prozent mit Effizienzsteigerungen auszugleichen.»
Subvention ist nicht SNB-Mandat
Eine Gegenstimme zu – meist linken – Forderungen nach einem neuen Mindestkurs hatte Ex-Nationalbank-Vize Niklaus Blattner erhoben: «Ein Kurs um die 1.05 Franken ist doch ganz erfreulich – mit Blick auf die sich zuspitzende Krise in Griechenland», sagte er Tages-Anzeiger und Bund am Samstag. Es entspreche nicht dem Mandat der Nationalbank, den Wechselkurs auf Dauer zu subventionieren.
Seit die Schweizerische Nationalbank am 15. Januar 2015 den Euro-Mindestkurs aufhob, haben mehrere Unternehmen die Auslagerung oder Streichung von Arbeitsplätzen angekündigt. Die Nationalbank gibt am kommenden Donnerstag ihre geldpolitische Lagebeurteilung ab und wird sich dabei auch den Fragen der Medien stellen. Schon am Dienstag veröffentlicht das SECO seine jüngste Konjunkturprognose.