Eine Komödie mit düsterem Humor eröffnet das 71. Filmfestival Venedig: In «Birdman» gibt Michael Keaton einen abgehalfterten Schauspieler. Ein glanzvoller Auftakt mit vielen Stars.
Der verzweifelte Kampf um Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit ist für viele Schauspieler heute Alltag. Privatfotos bei Twitter, Schlagzeilen, Titelgeschichten – wer nicht regelmässig in den Medien Präsenz zeigt, ist quasi schon wieder halb vergessen.
Genau das thematisiert der Eröffnungsfilm der 71. Internationalen Filmfestspiele Venedig: Die Tragikomödie «Birdman» mit Michael Keaton, Edward Norton und Emma Stone nimmt das Hollywood- und Broadway-Milieu bitterböse auseinander und blickt in die Abgründe der Protagonisten. Ein idealer Auftakt für das Filmfest, wo Stars und Arthouse-Kino in den kommenden Tagen im Mittelpunkt stehen.
Zur Premiere schritt der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu bei strahlendem Sonnenschein mit seinen Darstellern über den roten Teppich. Michael Keaton und Edward Norton kamen im Smoking, während Emma Stone («The Amazing Spider-Man») ein tief ausgeschnittenes schwarzes Kleid trug.
Verwischte Grenzen
Iñárritu, der sich mit vielschichtig aufgebauten Dramen wie «Babel» und «21 Gramm» einen Namen gemacht hat, verwischt bei «Birdman (Or the Unexpected Virtue of Ignorance)» virtuos die Grenzen zwischen Realität und Fiktion: In der Hauptrolle zeigt er den 62-jährigen Michael Keaton, der vor mehr als 20 Jahren seine grössten Erfolge als «Batman» feierte.
Nun verkörpert er einen abgehalfterten Schauspieler, der als Superheld «Birdman» einst zum Star wurde und seitdem um Anerkennung ringt – wie viel Wahrheit wohl in seiner Rolle steckt?
«Ich hatte total Angst vor diesem Film», erzählte Iñárritu in Venedig über seine erste Komödie, in der auch Zach Galifianakis und Naomi Watts in Nebenrollen zu sehen sind. «Nach so vielen dramatischen Filmen, nach so viel würzigem mexikanischen Chili hatte ich aber mal Lust auf eine Nachspeise.» Immerhin habe er am Set bisher nie lachen können – jetzt aber schon.
Viel Düsteres, viel Abgrund
Den Zuschauern bleibt das Lachen dagegen oft eher im Hals stecken. Schliesslich ist «Birdman» zwar durchaus eine Komödie, enthält aber auch viel Düsteres und Abgründiges, wie es für Iñárritu typisch ist: Riggan Thomson, sein abgehalfterter Hollywoodstar mit verblassendem Glanz (Keaton), will sich mit einem ambitionierten Theaterstück am Broadway als Regisseur und Schauspieler beweisen, verliert dabei aber immer mehr die Kontrolle über sein Leben.
Nicht nur die Brüche in der Beziehung zu seiner Tochter (Emma Stone) offenbaren sich. Vor allem sein Gegenspieler im Theaterstück stiehlt ihm mit seinen Starallüren und -exzessen die Show und die Titelseiten – grandios überspitzt verkörpert von Edward Norton.
Neue Filme, Themen, Gesichter
«Birdman» ist damit der erste Film, der beim ältesten Filmfestival der Welt ins Rennen um den Goldenen Löwen geht. Vor allem seine beiden Darsteller Michael Keaton und Edward Norton könnten mit ihrem getriebenen Spiel bereits erste Chancen auf eine Auszeichnung haben. Für weitere Prognosen ist es allerdings noch viel zu früh – immerhin muss sich die internationale Jury weitere 19 Beiträge anschauen.
Und die könnten kaum unterschiedlicher sein: von Fatih Akins Drama «The Cut» um das Schicksal der Armenier über «Manglehorn» mit Al Pacino als Ex-Sträfling bis zu Abel Ferraras Biografie über den italienischen Regisseur Pier Paolo Pasolini ist von Dramen bis Komödien, von Bio-Pics bis Dokus vieles dabei.
Die Chancen stehen also gut, dass Jurypräsident Alexandre Desplat nicht enttäuscht wird. «Ich möchte neue Filme, neue Themen, neue Gesichter entdecken», sagte der französische Filmkomponist vor der Eröffnung. «Ich hoffe, dass wir sehr starke und originelle Sichtweisen finden können.»