Staunen über die Schwarzwaldbahn

Wer im Schwarzwald mal nicht nur wandern mag, kann sich dort ein ganzes Wochenende mit einer berühmten Eisenbahn beschäftigen und grosse Ingenieurskunst live erleben.

An Sommerwochenenden verkehrt auf der Schwarzwaldbahn ein Dampfsonderzug.

(Bild: Sarah Portner)

Wer im Schwarzwald mal nicht nur wandern mag, kann sich dort ein ganzes Wochenende mit einer berühmten Eisenbahn beschäftigen und grosse Ingenieurskunst live erleben.

Dies ist der Versuch, die Leserinnen und Leser dieser Kurzurlaubsrubrik mit dem Verweis auf eine der faszinierendsten Gebirgsbahnen Europas in den Schwarzwald zu locken. Natürlich weiss ich (ich bin selbst aus München), dass in der Schweiz jede Menge Bahnen auf ziemlich spektakuläre Art und Weise ziemlich grossartige Landschaften durchqueren. Dennoch sage ich, dass sich ein Ausflug zur Schwarzwaldbahn lohnt.

Immerhin gilt diese als Mutter aller Gebirgsbahnen. Sie war wohl tatsächlich die erste Eisenbahnstrecke im Gebirge, die durch Kehren künstlich verlängert wurde. 564 Höhenmeter muss die Bahn zwischen Hausach und St. Georgen überwinden. Doch dank zweier langgezogener Kurven bleibt die Steigung stets gering genug, um nicht eine Zahnradbahn zu erfordern. Der zweite Trick, mit dem das Mittelgebirge bezwungen wird, sind Tunnel. 37 sind zwischen den beiden Ortschaften zu zählen, damit ist die badische Bahn eine der tunnelreichsten Strecken Europas. Und es gibt noch ein Indiz dafür, dass die Bahn eine Meisterleistung ist: Erbauer Robert Gerwig liess sich unmittelbar nach Abschluss des Projekts abwerben, um als leitender Ingenieur ab 1872 den Bau der Nordrampe der Gotthardbahn zu verantworten.

Genug Ideen für ein Wochenende lassen sich rund um die Schwarzwaldbahn auf jeden Fall finden. Ein mit einem Teleobjektiv bewaffneter und das Kursbuch rezitierender Eisenbahnfan muss man dafür nicht sein. Die Lust, sich auf ein Themenwochenende einzulassen, reicht vollkommen. Erster Programmpunkt ist die Fahrt mit der Schwarzwaldbahn selbst – die sich vielleicht schon durch die Anreise ergibt. Jeder, der mit dem Zug zwischen Singen am Hohentwiel und Offenburg unterwegs ist, reist automatisch mit der Schwarzwaldbahn. Rausschauen ist spätestens ab St. Georgen Pflicht. Geografie-Fans können sich während der Fahrt zudem daran erfreuen, zwei Mal die europäische Hauptwasserscheide (Atlantik–Schwarzes Meer) zu unterqueren.

Der Stützpunkt für das Wochenende

Triberg ist ein bekannter Touristenort im Schwarzwald, das liegt vor allem daran, dass dort Deutschlands höchste Wasserfälle (relativ unspektakulär) den Berg runterplätschern. Als Stützpunkt für das Wochenende eignet sich das Städtchen vor allem, weil dort der Schwarzwaldbahn-Erlebnispfad beginnt. Zwei Runden von jeweils etwa sechs Kilometern Länge starten am Bahnhof und führen auf kleinen Pfaden durch den Wald und immer wieder an der Bahnstrecke vorbei. Höhepunkt der kurzweiligen Wanderung ist der Vierbahnenblick: Oben am Berg lässt sich von einer Plattform aus der Zug der Reihe nach an vier unterschiedlichen Stellen erspähen. Die entsprechenden Uhrzeiten, zu denen man gucken muss, hängen als «Fahrplan» aus, das macht die Sache auch für Ungeübte leicht.

Mit einem Superlativ schmückt sich auch die Schwarzwald-Modellbahn in Hausach: Europas grösste Modellbahn nach realem Vorbild. Auf einer Fläche von 400 Quadratmetern präsentiert sie den Schwarzwald en miniature: dunkle Wälder, tiefe Täler, saftige Wiesen, Bauernhöfe mit Geranien am Balkon. Durch die Landschaft fahren ein paar Autos und im Verhältnis dazu ziemlich viele Züge, alle zehn Minuten wird es Nacht, ein kleiner Mikrokosmos im Massstab 1:87 genügt sich selbst.

Insbesondere mit Nachwuchs lässt sich gut ein ganzer Nachmittag im Minischwarzwald verbringen. Ich jedenfalls habe selten Kinder solche Luftsprünge machen sehen wie die fünf holländischen Jungs beim Anblick der Züge in der Wendespirale der Modellbahn. Einen Eindruck davon, wie die Anlage mit viel Liebe zum Detail gestaltet wurde, vermittelt diese Folge der Sendung «Eisenbahnromantik».

 

Wer Lust auf einen Museumsbesuch hat, der sich nicht nur um Eisenbahnen dreht, kann im Schwarzwaldmuseum in Triberg vorbeischauen. Neben einem Raum zur Entstehung der Schwarzwaldbahn gibt es dort noch Drehorgeln und andere Musikinstrumente, Kuckucksuhren, Fastnachtskostüme, seltene Steine und mitunter lustig anmutende Trachtenhüte zu bestaunen.

Um das Wochenende abzurunden empfehle ich als Sonntagsausflug die Sonderfahrt «37 Tunnel unter Dampf» zwischen Hausach und St. Georgen. Obwohl nicht erlaubt, ist in dem historischen Dampfzug doch immer irgendwo irgendein Fenster offen. Dadurch wird jede einzelne Tunneldurchfahrt zu einem rauchgeschwängerten und ohrenbetäubenden kleinen Erlebnis. Klimaanlage und Doppelstockwagen mit Neigungstechnik hin oder her: So muss sich Eisenbahnfahren anfühlen.

  • Fast wie ein General-Abo: Rund 11’000 Hotels und Pensionen in der Schwarzwald-Region händigen ihren Übernachtungsgästen die Konus-Karte aus, mit der sich Busse und Bahnen im gesamten Schwarzwald kostenlos nutzen lassen. Im Norden beginnt das Tarifgebiet in Karlsruhe, im Süden reicht es genau bis Basel SBB. Mehr dazu.
  • Besser als jede Fahrt im Doppelstockwagen: Die Dampfsonderfahrten auf der Strecke der Schwarzwaldbahn veranstalten die Eisenbahnfreunde Zollernbahn. Mehr Infos gibt es auf der Website des Vereins.
  • Durchaus schweisstreibend: Der Schwarzwald-Erlebnispfad eignet sich nicht für Spaziergänger mit Kinderwagen und/oder Flip-Flops. Vor allem der Untere Erlebnispfad (die lohnendere von beiden Runden) führt über Stock und Stein bergauf und bergab. Familientauglich aber ist er, an den Stationen können Kinder zum Beispiel verschiedene Schienen und Schwellen begutachten oder Geräusche im Fernmeldekasten erraten. Einkehrmöglichkeiten sind abgesehen vom Café am Bahnhof Triberg nicht vorhanden, deshalb Brotzeit mitnehmen.
  • Gefällt nicht nur kleinen Kindern: Die Schwarzwald-Modellbahn liegt direkt gegenüber dem Bahnhof in Hausach. Geöffnet im Sommer täglich von 10 bis 18 Uhr (ausser Montag). Bonus für Modellbau-Fans: Die Firma Faller, die vor allem für ihre Bausätze bekannt ist, präsentiert am Firmensitz in Gütenbach kleine Miniaturwelten und den Shop dazu.
  • Noch immer so köstlich wie damals: Claus Schäfer backt seine Schwarzwälder Kirschtorte nach dem Rezeptbuch seines Vaters aus dem Jahre 1926 – und der wiederum lernte bei Josef Keller, der einst entdeckt hat, dass Sahne, Kirschen und Schokoladenboden einfach wunderbar zusammenpassen. Samstagvormittag holen die Triberger der Reihe nach ihre vorbestellten Kuchen ab – sehr wochenendlich.
    www.cafe-schaefer-triberg.de

Nächster Artikel