Angesichts des britischen EU-Austritts und des erstarkenden Populismus in Europa hat der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem Antrittsbesuch in Paris eine Fortentwicklung der EU angemahnt.
Steinmeier rief am Donnerstag bei einem Mittagessen mit dem französischen Präsidenten François Hollande dazu auf, «gemeinsam ein neues Kapitel der europäischen Integration aufzuschlagen». Deutschland und Frankreich komme dabei eine Schlüsselrolle zu.
Steinmeier sagte, dass beide Länder nach dem Austrittsantrag Grossbritanniens aus der EU eine noch grössere Verantwortung trügen, «das Erbe der europäischen Integration zu bewahren und den Menschen in der Europäischen Union Hoffnungen auf eine europäische Zukunft zu erarbeiten». Hollande fügte hinzu: «Unsere beiden Länder sind essenziell, damit Europa vorankommt.»
Steinmeier und Hollande warnten vor dem wachsenden Populismus, der eine Gefahr für die europäische Einigung darstelle. Der Bundespräsident beklagte eine «neue Faszination des Autoritären», die «tief nach Europa eingedrungen» sei.
EU «unverzichtbar»
Der deutsche Bundespräsident begrüsste hingegen die Bestrebungen, der Staatengemeinschaft mit einem «Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten» einen neuen Impuls zu geben. Die EU sei «nicht unveränderbar», aber «unverzichtbar», sagte er.
Mit Blick auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl in Frankreich erinnerte Steinmeier in einer Rede beim gemeinsamen Mittagessen mit Hollande an den französischen Beitrag für die Entwicklung von Menschenrechten und Demokratie. «Im Jahr 2017 jedenfalls ist dieser Beitrag so wichtig wie lange nicht», sagte er. Auch deshalb schauten Frankreichs Nachbarn mit Spannung «und mit europäischen Hoffnungen» auf den Wahlausgang.
Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 23. April werden den Rechtspopulisten der Front National mit Spitzenkandidatin Marine Le Pen gute Chancen eingeräumt, in die Stichwahl am 7. Mai zu kommen. Dort könnte Le Pen dann Umfragen zufolge dem parteilosen Reformpolitiker Emmanuel Macron gegenüberstehen. Der Sozialist Hollande tritt nicht mehr an.
Schon rund 30 Mal zu Besuch
Steinmeier kennt Frankreich sehr gut: In den vergangenen Jahren reiste er als Bundesaussenminister rund 30 Mal in das Land. Keine Begegnung mit Hollande habe sich dabei «so tief eingebrannt» wie jene am Abend der Anschläge vom 13. November 2015, sagte der Bundespräsident.
Steinmeier und Hollande sassen damals gemeinsam auf der Tribüne des Fussball-Länderspiels zwischen Deutschland und Frankreich im Stade de France, als Islamisten in Paris eine Anschlagsserie mit 130 Toten verübten. Der französische Präsident dankte Steinmeier am Donnerstag, dass dieser im Stadion geblieben sei, um keine Panik entstehen zu lassen. Hollande hatte das Fussballspiel umgehend verlassen, um sich der Krise zu widmen.
Erste Auslandsreise im neuen Amt
Steinmeier war im Februar in der Bundesversammlung von einer parteiübergreifenden Mehrheit zum neuen Staatsoberhaupt gewählt geworden. Bei seiner ersten Auslandsreise im neuen Amt sagte er am Donnerstag, dass er die Wochen vor seiner Vereidigung am 22. März dazu genutzt habe, Abstand vom aussenpolitischen Tagesgeschäft zu gewinnen.
Das Zeremoniell für Steinmeiers nur gut vierstündigen Besuch in Paris war aus Rücksicht auf den französischen Wahlkampf klein gehalten geworden.
Als nächste Auslandsreisen des deutschen Bundespräsidenten stehen am kommenden Dienstag eine Rede vor dem Europaparlament in Strassburg sowie am 7. und 8. April ein Besuch in Griechenland an. Mitte Mai will Steinmeier nach Polen fahren, das sein Vorgänger Joachim Gauck 2012 zum Ziel seines ersten Auslandsbesuchs gemacht hatte.