Die Zahl der Steuerdeals zwischen EU-Staaten und Grosskonzernen hat sich innerhalb von zwei Jahren fast verdreifacht. Dank diesen Abmachungen können die internationalen Multis ihre Steuern drastisch senken.
Konkret stieg die Zahl an geschlossenen Steuerdeals von 547 im Jahr 2013 auf 1444 im Jahr 2015, heisst es in der am Mittwoch publizierten Studie der regierungsunabhängigen Organisation Eurodad. An der Spitze der EU-Länder, die grossen Unternehmen Steuervermeidungspraktiken anböten, stünden Belgien und Luxemburg, heisst es weiter.
Das «European Network on Debt and Development» (Eurodad) ist ein Zusammenschluss von 47 Organisationen aus 20 EU-Ländern, die ein demokratisch kontrolliertes, nachhaltig wirtschaftendes System fordern. Das Netzwerk stützt sich in seiner Studie auf Daten der EU-Kommission aus 17 Mitgliedsländern sowie aus Norwegen.
Der Anstieg der Steuerdeals sei «sehr überraschend und zutiefst beunruhigend», erklärte Tove Ryding, einer der Autoren der Untersuchung.
Auslöser LuxLeaks-Affäre
In der EU sorgen Steuervermeidungspraktiken von Grosskonzernen seit geraumer Zeit für Schlagzeilen. Auslöser war Ende 2014 die sogenannte LuxLeaks-Affäre. Damals hatte ein Recherchenetzwerk über hunderte Fälle berichtet, in denen multinationale Konzerne in Luxemburg auf Kosten anderer EU-Länder Steuerzahlungen vermieden. Grundsätzlich illegal ist diese Praxis aber nicht.
Dank Beispielen wie dem Konzern Apple und LuxLeaks wisse man nun, dass diese heimlichen Steuerdeals von Multis zur Steuervermeidung missbraucht würden, sagte Ryding weiter.
Schliesslich musste der US-amerikanische Grosskonzern Apple, der mit Irland einen solchen Steuerdeal geschlossen hatte, auf Druck der EU-Kommission wegen unberechtigter Vorteilsnahme 13 Milliarden Euro an den irischen Fiskus zurückzahlen.
Laut EU-Kommission entgehen den EU-Mitgliedstaaten durch aktive Steuervermeidungspolitik von Firmen jährlich Steuereinnahmen in geschätzter Höhe von 50 bis 70 Milliarden Euro. Die EU-Staaten hatten im Juni eine Richtlinie beschlossen, um Konzernen die Verschiebung von Gewinnen zu erschweren.
Auch Schweiz erwähnt
Der Bericht erwähnt neben LuxLeaks auch andere Fälle wie etwa die «Panama Papers» oder den Skandal um die Bank HSBC, die Verbindungen zur Schweiz haben.
Auch werden Untersuchungen in Italien gegen die Schweizer Grossbank Credit Suisse erwähnt. Diese war beschuldigt worden, 13’000 italienischen Steuerzahlern geholfen zu haben, Vermögen im Wert von 14 Milliarden Euro im Ausland zu verstecken.
Eurodad bedauert in seinem Bericht, dass die EU ihre «Schwarze Liste» mit Steueroasen noch nicht fertiggestellt hat. Das Netzwerk kritisiert zudem, dass EU-Staaten selbst nicht auf die Liste kämen und «traditionelle Verbündete» wie die Schweiz oder die USA wahrscheinlich auch nicht.
Denn die Schweiz gilt als der verschwiegenste Finanzplatz weltweit. Sie figuriert im Schattenfinanzindex des Tax Justice Network (TJN) auf Platz eins. Die USA, die auf Platz drei folgen, zeigen sich laut dem Eurodad-Bericht mehr und mehr als «eines des grössten Steuerparadiese der Welt».