Nach Direktor Urs Ursprung ist am (gestrigen) Donnerstag auch der Chef des Leistungsbezugs Informatik (LBO) der Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) freigestellt worden. Gegen ihn führt die Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Informatikprojekt INSIEME eine Strafuntersuchung.
Die Freistellung hat der interimistische Direktor Samuel Tanner, „nach einer Klärung des Sachverhalts angeordnet“, wie die ESTV am Freitagnachmittag mitteilte. Auf die Frage, weshalb die Freistellung erst am Donnerstag erfolgte, verwies die ESTV darauf, dass Tanner erst am Dienstag ernannt worden sei.
Aus personalrechtlichen Gründen konnte ESTV-Kommunikationschef Beat Furrer keine Angaben darüber machen, ob dem Chef LBO wegen der Freistellung der Lohn oder andere Leistungen gestrichen oder gekürzt werden. Gemäss Bundespersonalverordnung ist dies möglich.
Der Chef LBO steht wird der ungetreuen Amtsführung verdächtigt. Konkret geht es um schwere Verstösse gegen das Beschaffungsrecht, die eine am Dienstag veröffentlichte Administrativuntersuchung zu Tage gefördert hatte.
Beschaffungsrecht verletzt
Beim Projekt INSIEME wurden mit einzelnen Anbietern bis zu 35 praktisch gleichlautende Verträge abgeschlossen. Das Kostendach lag jeweils knapp unter dem Schwellenwert, ab welchem Aufträge WTO-konform ausgeschrieben werden müssen.
„Anhand der vertieften Analyse konnte damit festgestellt werden, dass bewusst zusammen hängende Aufträge in verschiedene Teilaufträge ausgeteilt wurden. Es sind keine anderen Gründe ersichtlich, als dass damit die beschaffungsrechtlichen Vorgaben umgangen werden sollten“, bilanziert der Untersuchungsbericht.
Der Chef LBO stolperte insbesondere über Aufträge an zwei Personalvermittlungsfirmen. Diese erzielten „unüblich hohe Margen“. Es stellte sich heraus, dass der Mann zu diesen Firmen „enge persönliche Beziehungen“ unterhielt. Dies führte zur Strafuntersuchung mit Hausdurchsuchung und Befragung. Nach wie vor gilt für ihn aber die Unschuldsvermutung, wie die ESTV schreibt.
Ursprung in der Verantwortung
ESTV-Direktor Urs Ursprung war bereits am Dienstag von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf freigestellt worden, weil bei ihm die volle administrative Verantwortung lag.
Erste Massnahmen
Interims-Direktor Tanner liess am Freitag weiter mitteilen, dass er die Stärkung der internen Abläufe angeordnet habe: „Im Fokus steht dabei das Beschaffungswesen, wo mehr Know-how aufgebaut und klare Schnittstellen und Verantwortlichkeiten geschaffen werden sollen.“
Grund dafür dürfte sein, dass im Untersuchungsbericht als Gründe für die schwerwiegenden Verstösse unter anderem fehlendes beschaffungsrechtliches Know-how sowie unklare Prozesse und Zuständigkeiten genannt werden.