Die Bevölkerung hält psychisch Kranke für gefährlicher als sie tatsächlich sind, insbesondere Alkoholabhängige. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, die zudem Hinweise liefert, wie sich das Stigma abbauen liesse.
Die Gesellschaft grenzt psychisch Kranke nach wie vor aus. Zum Stigma trägt massgeblich bei, dass die Bevölkerung Betroffene für gewaltbereit hält.
Ein Forscherteam von der Universität und den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel hat untersucht, welche Symptome besonders vorurteilsbehaftet sind. Demnach wird besonders Alkoholkranken eine höhere Gewaltbereitschaft unterstellt als sie real existiert, wie die Hochschule am Montag mitteilte.
Das Team um Julia Sowislo und Christian Huber von den UPK befragte für die Studie 10’000 Personen in Basel. Die Teilnehmenden sollten anhand von fiktiven Fallgeschichten einschätzen, für wie gefährlich sie die beschriebene Person hielten. Im Text wurden nur Einzelheiten variiert, zum einen die Symptome, die zu verschiedenen psychischen Erkrankungen passten, zum anderen der Ort der Behandlung (Allgemeinspital, Psychiatrie oder Psychiatrie mit forensischer Klinik).
Mehr Alltagserfahrungen mit Alkohol
Als besonders bedrohlich nahmen die Befragten demnach Alkoholabhängige wahr – mehr als zum Beispiel Menschen mit einer Psychose oder einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. «Das könnte daran liegen, dass man im Alltag häufiger Beispielen begegnet, wenn es um Gewalt unter Alkoholeinfluss geht», erklärte Huber im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.
Die Mehrheit der Alkoholkranken sei ungefährlich, betonte Huber. «Einzelne aggressive Vorfälle bei Alkoholkranken werden aber sehr prominent wahrgenommen.» Um die Stigmatisierung zu bekämpfen, gelte es deshalb, ein realistischeres Bild zu vermitteln, dass es sich dabei eben um Ausnahmen und nicht um die Regel handele.
Persönlicher Kontakt dürfte dabei besonders wichtig sein: Studienteilnehmende schätzten die Gefährlichkeit psychisch Kranker als deutlich geringer ein, wenn sie selbst schon Kontakt zur Psychiatrie oder Betroffenen hatten, wie die Forschenden im Fachblatt «Scientific Reports» berichten.
Behandlung ins Spital verlegen
Auch der Behandlungsort spielt dabei eine wesentlich Rolle: Wurde der in den Fallbeispielen beschriebene Patient oder die Patientin in einem Allgemeinspital behandelt, wurde er oder sie als weniger bedrohlich erachtet als bei Behandlung in einer psychiatrischen Klinik. Die Forschenden schlagen daher vor, die stationär-psychiatrische Behandlung aus eigenständigen Kliniken ins Spital zu verlagern, um der Stigmatisierung entgegen zu wirken.
Da sich die UPK und der Kanton Basel-Stadt mit Kampagnen, Veranstaltungen und Aktionen für die Entstigmatisierung psychisch Kranker einsetzen, wollen die Forschenden derlei Befragungen in Zukunft wiederholen, um die Wirkung solcher Massnahmen zu prüfen, wie Huber der Nachrichtenagentur sda sagte.