Strassburg will nicht über Sterbehilfe in Deutschland entscheiden

Strassburg will nicht über das Recht auf Sterbehilfe in Deutschland entscheiden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) beschränkte sein Urteil im Fall einer gelähmten Frau, der der Erwerb einer tödlichen Menge Schlafmittel von deutschen Richtern verweigert wurde, am Donnerstag auf eine formale Beanstandung.

Buchtitel am Sterbehilfekongress Mitte Juni in Zürich (Symbolbild) (Bild: sda)

Strassburg will nicht über das Recht auf Sterbehilfe in Deutschland entscheiden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) beschränkte sein Urteil im Fall einer gelähmten Frau, der der Erwerb einer tödlichen Menge Schlafmittel von deutschen Richtern verweigert wurde, am Donnerstag auf eine formale Beanstandung.

Der EGMR wies eine Beschwerde des Klägers Ulrich Koch als „unzulässig“ zurück. Der Witwer der inzwischen verstorbenen Frau hatte geltend gemacht, das Recht seiner Frau auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, insbesondere ihr Recht auf einen würdevollen Tod, sei verletzt worden.

Der Mann sei „nicht im Namen seiner Frau klagebefugt“, entschied nun der EGMR. Der Kläger sei jedoch „verfahrensrechtlich“ in seinen Rechten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt worden, denn die deutschen Behörden hätten seine Beschwerde in der Sache nicht ausreichend geprüft.

Deutschland müsse ihm deshalb eine Entschädigung in Höhe von 2500 Euro für den „erlittenen immateriellen Schaden“ und 26’736 Euro als Rückerstattung für die entstandenen Kosten bezahlen. Zur Sachfrage, ob deutsche Behörden einer gelähmten Frau ein tödliches Medikament hätten gewähren müssen, nahmen die Strassburger Richter nicht Stellung.

Mit Dignitas das Leben genommen

Die ehemalige Rechtsanwaltsgehilfin war im Jahr 2002 von ihrem Haus so unglücklich gestürzt, dass sie sich das Genick brach. Seither war die Mutter einer erwachsenen Tochter querschnittgelähmt und auf künstliche Beatmung sowie unablässige Betreuung durch Pflegepersonal angewiesen.

Nachdem ihr in Deutschland der Freitod verweigert wurde, wich die Frau in die Schweiz zur Sterbehilfeorganisation Dignitas aus, wo sich die zu diesem Zeitpunkt 55-Jährige im Jahr 2005 das Leben nahm. Dignitas erklärte am Donnerstag in einem Communiqué, man habe dem Gerichtsverfahren als Dritte Partei im Sinne eines „amicus curiae“ beigewohnt.

„Im Zweifel für das Leben“

Nach wie vor halte das Bedürfnis von in Deutschland wohnhaften Personen nach Beihilfe zum Freitod mit Dignitas Schweiz an. Seit Gründung der Organisation im Jahr 1998 habe sie in der Schweiz insgesamt 699 Personen aus Deutschland Sterbehilfe geleistet.

In Deutschland ist die aktive Sterbehilfe im Gegensatz zur Schweiz oder auch anderen europäischen Ländern wie Belgien oder Holland grundsätzlich nicht erlaubt. Bei ungewisser Rechtslage entscheiden deutsche Gerichte deshalb meist „in dubio pro vita“, also im Zweifel für das Leben.

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