Eine hitzige Debatte über die Wehrpflicht von orthodoxen Juden hat die erst kürzlich vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu geschlossene Regierungskoalition in die Krise gestürzt. Nach zweimonatigem Bestehen steht sie kurz vor dem Zusammenbruch.
Die Kadima-Partei von Vizeministerpräsident Schaul Mofas drohte am Mittwoch damit, die Regierungskoalition aufzukündigen. Netanjahu müsse die Empfehlungen der parlamentarischen Kommission zur Ausarbeitung eines neuen Gesetzes zur Wehrpflicht von Israelis – einschliesslich der orthodoxen Juden – umsetzen, sagte Mofas. Dies sei die Bedingung für den Verbleib in der Regierungskoalition.
Netanjahu hatte die Kommission am Montag wegen „schwerwiegender Meinungsverschiedenheiten“ aufgelöst. Geleitet wurde sie vom Kadima-Mitglied Johanan Plesner, der am Mittwoch trotzdem die Vorschläge der Kommission öffentlich vorstellte.
Dabei forderte Plesner die Regierung auf, sämtliche Israelis im entsprechenden Alter zum Wehrdienst einzuziehen, oder sie zu einer Art Zivildienst zu verpflichten.
Netanjahu „arbeitet an Lösung“
Bereits am späten Dienstag hatte es auf Seiten von Netanjahus konservativer Likud-Partei geheissen, man arbeite an einer Lösung. Dazu habe der Ministerpräsident eine Reihe von Treffen mit den Koalitionspartnern im Laufe der Woche geplant, erklärte ein Regierungsvertreter.
Die Regierung in Jerusalem muss sich vor Ablauf einer richterlichen Frist am 1. August auf ein einheitliches Gesetz zur Wehrpflicht einigen. Zuvor hatte das oberste Gericht des Landes entschieden, dass das seit rund 60 Jahren bestehende System, das orthodoxe Juden für religiöse Studien von der Wehrpflicht ausnimmt, nicht rechtens sei.
Ab 1. August würden demnach 60’000 junge orthodoxe Juden, die der Wehrpflicht nicht nachkämen, als Deserteure gelten. Normalerweise weise muss jeder Israeli über 18 Jahren einen Wehrdienst ableisten, Männer drei Jahre und Frauen zwei.