Strengere Unvereinbarkeitsregeln für Richter am Baselbieter Kantonsgericht haben es im Kantonsparlament schwer. Eine auf einen SVP-Vorstoss zurückgehende Gesetzesvorlage, die das Vertrauen in die Justiz stärken soll, ist am Donnerstag in erster Lesung umstritten geblieben.
Die Vorlage will es Kantonsrichterinnen und -richtern künftig untersagen, im gleichen Rechtsgebiet, in dem sie urteilen, vor Vorinstanzen oder Verwaltungsbehörden als Parteivertreter aufzutreten. Gefordert hatte dies eine parlamentarische Initiative seitens der SVP, die der Landrat im November 2014 an seine Justiz- und Sicherheitskommission überwiesen hatte.
Kein Bedarf laut Gegnern
Am Donnerstag beriet der Rat nun über die von der Kommission vorgeschlagene Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes. Anders als bei der Überweisung der Initiative gab es jetzt aber Opposition: Die FDP, eine Mehrheit der SP und die Hälfte der Fraktion der Grünen Unabhängigen und GLP stellten sich gegen die neue Regel.
Die Vorlage habe mehr Nach- als Vorteile, sagte der FDP-Sprecher. Es gebe keinen Regelungsbedarf, Problemfälle seien nicht bekannt, und die derzeitige Ausstandsregelung funktioniere bestens. Ausserdem drohe ein Verlust an praktischem Fachwissen, wenn nebenamtliche Richter weniger als Anwälte auftreten könnten.
Ausserdem könnte die Neuregelung der erste Schritt zum Berufsrichtertum sein, befürchtete der FDP-Votant. Wenn die geltenden Ausstandsregeln befolgt werden, gebe es keine Probleme, sagte ebenso der Sprecher der SP-Mehrheit. Fachverluste am Kantonsgericht sollten zudem vermieden werden.
Rollenkonflikt laut Gericht
Es gebe sehr wohl Handlungsbedarf, auch wenn die Fälle nicht an die Öffentlichkeit getragen würden, hielten jedoch die Befürworter von SVP, Grünen/EVP oder CVP/BDP entgegen. Nicht umsonst sei auch das Kantonsgericht selber für die Neuregelung, und von den derzeit 20 Gerichtsmitgliedern wären zudem nur gerade sechs davon betroffen.
Die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts sei für die Vorlage, sagte Kantonsgerichtspräsident Andreas Brunner. Mit Kantonsrichtern, die im Neben- und nicht im Vollamt urteilten, weise Baselland eine Spezialität auf. Da die Richter somit noch einen Hauptberuf als Anwalt hätten, könne es Interessens- oder Rollenkonflikte geben.
Im Extremfall könnte so jemand am Nachmittag als Kantonsrichter über eine Frage urteilen, die er am Morgen als Parteivertreter vor erster Instanz aufgeworfen hatte. Zwar könne man so das Fachwissen als Anwalt in die Richtertätigkeit einbringen. Es sei aber schwer, ausgewogen zu urteilen, wenn man zuvor einen Parteistandpunkt vertreten hatte.
Dem Volk nicht zu erklären
Die Rechtssprechung im Kanton Baselland sei gut, sagte Brunner. Doch auch wenn im Falle eines Rollenkonflikts ein Kantonsrichter von seiner vorherigen Rolle als Parteivertreter abstrahieren könne, nehme ihn das Umfeld weiterhin als Parteivertreter wahr. Die Neuregelung würde solche rechtsstaatlich unbefriedigenden Situationen beseitigen.
Ähnlich hatten auch die Initianten ihren Vorstoss begründet: Es sei der Bevölkerung nicht zu erklären und für eine unterliegende Prozesspartei nur schwer akzeptierbar, wenn diesselbe Person vor einem Erstinstanzgericht eine Prozesspartei vertrete und danach als Richter geltendes Recht mitdefiniere. Derzeit dürfen Kantonsrichter lediglich vor dem Kantonsgericht selbst nicht als Anwälte auftreten.
Eintreten auf die Vorlage blieb am Donnnerstag trotz der grundsätzlichen Kritik der Gegner unbestritten. Eine Abstimmung findet im Parlament aber erst in der zweiten Lesung statt. Stimmt der Rat zu, dürfte das Ja so knapp ausfallen, dass das Vier-Fünftel-Mehr zum Ausschluss des obligatorischen Gesetzesreferendums verfehlt wird. Dann hätte das Volk das letzte Wort.