Eine neue Studie räumt mit der Vorstellung des Milizparlaments auf: Die meisten National- und Ständeräte machen den grössten Teil der Woche Politik. Die Entschädigung, die sie dafür erhalten, ist nicht besonders üppig.
Der Stundenlohn für Sitzungen und die Sitzungsvorbereitung liegt zwischen 70 und 80 Franken. Kein Geld gibt es hingegen für die übrige politische Arbeit im Zusammenhang mit dem Parlamentsmandat. Für Parteisitzungen, Medienarbeit, Repräsentationsaufgaben oder Kampagnen wenden die Ratsmitglieder im Mittel aber noch einmal einen bis zwei Tage pro Woche auf.
Diese Zahlen haben Forscher der Universität Genf erhoben und am Dienstag in Bern der Öffentlichkeit vorgestellt. Den Auftrag dazu gab die Verwaltungsdelegation der Bundesversammlung. Sie wollte wissen, ob mit den Mitteln des Parlaments haushälterisch umgegangen wird. Deshalb liess sie Einkommen und Umfang der parlamentarischen Arbeit untersuchen, zudem den Aufwand für politische Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Parlamentsmandat.
Indirekter Lohn
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen zunächst die grossen Unterschiede zwischen den einzelnen Parlamentsmitgliedern. Je nach Anzahl Kommissionsmandaten fällt die Entschädigung verschieden hoch aus. Den grössten Unterschied macht aber, ob jemand einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin beschäftigt. Weil es dafür eine Pauschale von 33’000 Franken pro Jahr gibt, bleibt jeder nicht ausgegebene Franken als indirekter Lohn in der Tasche des betreffenden Parlamentariers.
Mitglieder des Nationalrats ohne Mitarbeiter verdienen im Mittel 91’900 Franken pro Jahr, jene mit Mitarbeiter 63’000 Franken. Auf die Arbeitslast von knapp 1000 Stunden heruntergebrochen ergibt das einen Stundenlohn von 93 Franken ohne und von 65 Franken mit Mitarbeiter. Im Ständerat sind es 92’200 Franken respektive 69’300 Franken pro Jahr und 96 Franken respektive 67 Franken pro Stunde.
Zur Berechnung des Einkommens berücksichtigt wurden der Jahreslohn von 26’000 Franken, die Sitzungs-Taggelder von 440 Franken, Beiträge an die Altersvorsorge, Pauschalen für Mitarbeitende, Mahlzeiten, Übernachtung und GA. Abgezogen wurden die tatsächliche Auslagen, Sozialabgaben und Abgaben an die Partei.
Hohe Arbeitslast
Der Beschäftigungsgrad für Sitzungen und Sitzungsvorbereitungen liegt gemessen an einer 42-Stunden-Woche bei etwa 50 Prozent. Anders sieht das Resultat aus, wenn alle Tätigkeiten in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Mandat berücksichtigt werden. Dann beträgt das Pensum der Nationalratsmitglieder 87 Prozent, bei Ständerätinnen und Ständeräten sind es 71 Prozent. Verwaltungsratsmandate, Arbeit in Verbänden, Wahlkampf und politische Arbeit in Kanton oder Gemeinde sind dabei nicht berücksichtigt.
Diese Arbeitslast widerspricht der Vorstellung von einem klassischen Milizparlament. Zwar gehen über 80 Prozent der Parlamentarier auch noch einer beruflichen Tätigkeit nach, wie Philippe Schwab, Generalsekretär der Bundesversammlung, erklärte. Der Aufwand für politische Arbeit werde aber stetig grösser.
Echte Milizparlamentarier seien längst eine Minderheit, sagte Schwab. Seiner Meinung nach handelt es sich beim Milizparlament ohnehin eher um eine in der Bevölkerung verbreitete Vorstellung als um eine Realität. Im Gegensatz zur Armee gibt es auch keine Rechtsgrundlage dafür. «Man muss sich von der Idee des Milizparlaments verabschieden», sagte Schwab.
Hartnäckiges Ideal
Doch das Ideal hält sich hartnäckig – wohl auch aus politischen Gründen. Vor einem Jahr kündigte alt Bundesrat Christoph Blocher eine Initiative an mit dem Ziel, die Entschädigungen der Parlamentarier drastisch zu kürzen. So sollte die Miliz gestärkt werden. Seither war davon nichts mehr zu hören.
Hingegen sind zahlreiche parlamentarische Initiativen zum Entschädigungssystem hängig. Dabei geht es um die steuerliche Behandlung der Pauschalen oder um die voraussetzungslos entrichtete Übernachtungsentschädigung. Matthias Aebischer möchte, dass Parlamentarier auf Kosten des Bundes persönliche Mitarbeitende anstellen können. Die Nationalratskommission hat dem bereits zugestimmt.
Insgesamt sehen die Mitglieder der eidgenössischen Räte aber offenbar wenig Handlungsbedarf. Laut Schwab beurteilen rund drei Viertel das Entschädigungssystem als angemessen. Gestützt auf die Resultate der Studie will die Verwaltungsdelegation den Ratsbüros aber konkrete Vorschläge machen. Erste Entscheide sollen im Herbst fallen.