In Gruppen mit niedrigem sozialem Status sterben mehr Menschen an Alkohol als in besser gebildeten Gruppen. Diesen Zusammenhang fanden Wissenschaftler in allen der von ihnen untersuchten 17 europäischen Länder, auch in der Schweiz.
In vielen Staaten seien alkoholbedingte Todesfälle in erheblichem Masse für die sozialen Unterschiede in der Sterblichkeit der Bevölkerung mitverantwortlich, schreiben sie im Fachblatt «PLOS Medicine».
Alkoholkonsum ist ein Risikofaktor für viele chronische und tödlichen Erkrankungen. Er kann unter anderem Leberschäden, Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs verursachen, zu akuten Vergiftungen führen oder tödliche Unfälle mitverursachen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Alkohol jährlich für 3,3 Millionen Todesfälle weltweit verantwortlich – ein Anteil von 5,9 Prozent an allen Todesfällen.
Alkohol wird in allen sozialen Schichten getrunken – aber nicht in allen gleich. In vielen Ländern trinken sozial besser gestellte Menschen häufiger – und manchmal auch mehr – als Menschen mit geringerem Bildungsgrad, schreiben die Forscher um Johan Mackenbach vom Erasmus University Medical Center in Rotterdam (Niederlande).
In unteren sozialen Gruppen sei problematisches Trinkverhalten – etwa das Komasaufen – allerdings verbreiteter. Infolgedessen seien alkoholbedingte Gesundheits- und soziale Probleme häufiger.
Geringere Unterschiede in der Schweiz
Die Forscher um Mackenbach werteten Daten aus Sterberegistern seit etwa 1980 von 17 europäischen Ländern aus, um den Zusammenhang zwischen alkoholbedingten Todesfällen und sozioökonomischen Faktoren zu untersuchen. Basierend auf dem Ausbildungsgrad und dem Beruf teilten sie die Verstorbenen in unterschiedliche soziale Gruppen ein.
In Ungarn starben im Ländervergleich am meisten Männer und Frauen an Alkohol. In allen Ländern waren alkoholbedingte Todesfälle in den unteren sozialen Gruppen häufiger.
Die stärksten Unterschiede zwischen den sozialen Gruppen fanden die Forscher in den Ländern Osteuropas sowie in Finnland und Dänemark. In der Schweiz, Spanien, Frankreich und Italien waren die Unterschiede hingegen weniger stark ausgeprägt.
Männer machen den Unterschied
In Finnland, Slowenien, Ungarn und Dänemark – hier nur bei den Männern – waren alkoholbedingte Todesfälle mit einem Anteil von zehn Prozent oder mehr massgeblich für die messbaren Unterschiede der Gesamtsterblichkeit in den verschiedenen sozialen Gruppen verantwortlich, berichten die Forscher weiter.
In vielen Ländern habe es in den vergangenen Jahrzehnten bei den Männern in den unteren sozialen Schichten eine deutliche Zunahme der alkoholbedingten Todesfälle gegeben, während deren Zahl in den höheren sozialen Schichten gleich geblieben sei. Dies habe die Ungleichheit zwischen den sozialen Gruppen verstärkt.
Dieser Trend sei aber nicht einheitlich. So sei die Rate alkoholbedingter Todesfälle in den unteren sozialen Schichten in den Ländern Südeuropas gleich geblieben oder sogar zurückgegangen.
Laxere Gesetze, ein leichterer Zugang zu Alkohol oder steigende Einkommen seien mögliche Erklärungen für den beobachteten Anstieg und für die Unterschiede zwischen einzelnen Ländern. Genauere Untersuchungen dazu, warum die Zahl der Alkoholtoten in den unteren sozialen Schichten einiger Ländern nicht zugenommen habe, könnten dazu beitragen, Bekämpfungsstrategien für die anderen Länder zu entwickeln, schreiben die Forscher.