Mehr als zwei Monate nach dem ersten Mers-Fall in Südkorea hat die Regierung den Ausbruch der Atemwegserkrankung für praktisch beendet erklärt. Premierminister Hwang Kyo Ahn rief die Menschen am Dienstag auf, zum normalen Alltag zurückzukehren.
Seit 23 Tagen sei kein neuer Krankheitsfall mehr aufgetreten. «Nach Abwägung verschiedener Umstände sind Mediziner und die Regierung zum Schluss gekommen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger keine Sorgen mehr machen müssen.» Die rasche Verbreitung des tödlichen Coronavirus (Mers-CoV) hatte in dem Land wochenlang für grosse Unsicherheit gesorgt.
Beim grössten Mers-Ausbruch ausserhalb der arabischen Halbinsel starben in Südkorea seit Mai 36 von 186 Menschen, bei denen das Virus nachgewiesen wurde. Fast 16’700 Menschen mussten wegen eines erhöhten Ansteckungsrisikos entweder zu Hause oder in Spitälern längere Zeit in Quarantäne verbringen.
Der Zeitraum von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit wird auf mindestens fünf Tage bis maximal zwei Wochen geschätzt. Am Montag war der bisher letzte unter Infektionsverdacht stehende Mensch in Südkorea aus der Quarantäne entlassen worden.
Formelles Ende steht noch aus
Es wird damit gerechnet, dass Südkorea im August noch ein formelles Ende des Ausbruchs erklären wird. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlägt vor, dass mindestens 28 Tage abgewartet werden sollten, nachdem der letzte Mers-Patient zweimal negativ getestet wurde. «Die Länder können dieser Orientierungshilfe folgen oder nicht», sagte eine Sprecherin des WHO-Regionalbüros in Manila.
Südkoreas Premierminister entschuldigte sich erneut für Fehler der Behörden zum Beginn des Ausbruchs. Er werde dafür sorgen, dass die nötigen Konsequenzen daraus gezogen werden. Die WHO hatte die rasche Ausdehnung der Viren unter anderem auf mangelnde Kenntnis über die Krankheit sowie überfüllte Notfallstationen und Krankenzimmer zurückgeführt.
Wirtschaftswachstum verlangsamt
Das Tempo des südkoreanischen Wirtschaftswachstums hatte sich infolge des Mers-Ausbruch verlangsamt. Betroffen war vor allem der Konsum. Die Menschen gaben weniger Geld aus. Auch mieden viele Südkoreaner Grossveranstaltungen.
Mers (Middle East Respiratory Syndrome/Nahost-Atemwegssyndrom) wurde erstmals 2012 in Saudi-Arabien nachgewiesen. Der Mers-Erreger zählt wie der von Sars und bestimmten Erkältungen zu den Coronaviren. Er kann eine schwere Infektion der Atemwege, Lungenentzündung und Nierenversagen verursachen. Weltweit registrierte die WHO bislang über 1300 Infizierte, die meisten in Saudi-Arabien. Etwa 500 davon starben.
Schweizer Forscher stellen Antikörper her
Inzwischen hat ein internationales Forscherteam unter Schweizer Leitung einen Mers-Antikörper isoliert. Er könnte binnen kurzer Zeit zur Therapiereife gebracht werden – sofern sich ein Produzent findet, hiess es am Montag.
Nur vier Monate brauchten die Forscher um Antonio Lanzavecchia von der Universita della Svizzera Italiana (USI) in Bellinzona nach eigenen Angaben, um die Antikörper zu isolieren, zu testen und in grossen Mengen zu produzieren, wie sie im Fachjournal «PNAS» berichten.
Sie hatten die Antikörper aus dem Blut des ersten an Mers erkrankten Patienten gewonnen. «Wir konnten zeigen, dass der Antikörper wirksam ist», sagte Lanzavecchia, Gründer der Spin-off-Firma Humabs BioMed, die den Antikörper isoliert hat. Er könne nun eigentlich klinisch weiterentwickelt werden.