Nachdem die islamisch-fundamentalistischen Gotteskrieger der Gruppe ISIS die nordirakische Stadt Mossul gestürmt haben, rücken sie weiter gegen die Hauptstadt Bagdad vor. Am Mittwoch eroberten die sunnitischen Kämpfer grosse Teile der Regionen Ninive, Anbar und Salah al-Din nordwestlich von Bagdad.
Der irakische Ministerpräsident Nuri Al-Maliki – ein Schiit – zieht nun die staatliche Truppen zusammen – und sucht Hilfe beim kurdischen Partner.
Innerhalb weniger Stunden bewegten sich Kämpfer der Gotteskrieger für einen Islamischen Staat im Irak und in der Levante/Gross-Syrien (ISIS) von Nordwesten aus durch das Land Richtung Bagdad. Der Vormarsch der Islamisten löste international Entsetzen und Besorgnis aus.
Am Dienstag hatten Kämpfer zunächst die nordirakische Millionenmetropole Mossul nahezu kampflos eingenommen. Im Verlauf des Mittwochs drangen die ISIS-Truppen bis Samara, rund 130 Kilometer nördlich von Bagdad vor. Unterwegs wurden die Regionen Ninive, Anbar und Salah ad-Din erobert, mit den strategisch wichtigen Städten Baidschi und Tikrit.
In Mossul flohen rund 500’000 Menschen vor den Extremisten. Sie hätten ihre Wohnhäuser aus Angst vor gewalttätigen Übergriffen verlassen, berichtete die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Mittwoch in Genf. Durch Kämpfe habe es unter der Zivilbevölkerung «eine hohe Zahl von Opfern» gegeben.
Dutzende Geiseln im türkischen Konsulat
Nach dem Sturm auf Mossul wurde dort der türkische Konsul als Geisel genommen. Insgesamt seien 48 Menschen in der Gewalt von Terroristen, berichteten türkische Medien. Unter den Geiseln seien auch Kinder und Konsulatsmitarbeiter. Der türkische Aussenminister Ahmed Davutoglu brach seine USA-Reise ab und kehrte zurück in die Heimat.
Die Islamisten befreiten allein in Mossul rund 2400 Häftlinge aus Gefängnissen und besetzten Regierungsgebäude und zwei Fernseh-Stationen, wie Al-Dschasira meldete.
Die ISIS ist eine der radikalsten islamistischen Gruppen im Nahen Osten. Sie kämpft für einen sunnitischen Grossstaat zwischen Mittelmeer in Syrien und Libanon und dem Fluss Euphrat im Irak.
In Baidschi, rund 200 Kilometer nördlich von Bagdad, brachte ISIS die Ölraffinerie und das Elektrizitätswerk unter ihre Kontrolle, wie Medien berichteten. Vom Werk wird auch die Hauptstadt Bagdad mit Strom versorgt.
Kurden sollen irakischer Armee helfen
Unbestätigten Berichten zufolge wurden am Mittwochabend die verbliebenen irakischen Truppen in Bagdad zusammengezogen. Auch die unabhängigen kurdischen Truppen im Norden des Landes, die «Peschmerga», forderte Mininsterpräsident Al-Maliki auf, bei der Gegenwehr zu helfen.
Die kurdische Nachrichtenseite «Rudaw» meldete, Peschmerga-Truppen hätten sich zur Kooperation bereit erklärt. Man müsse mit einem «Guerillakrieg» gegen ISIS vorgehen, wurde ein Offizier zitiert. In Syrien haben unabhängige kurdische Milizen bereits erfolgreich gegen Isis-Truppen gekämpft.
Auch der einflussreiche Schiiten-Prediger Muktada al-Sadr rief seine Anhänger dazu auf, «Friedensbrigaden» im Land zu bilden, um Schreine, Moscheen und Kirchen in Abstimmung mit der irakischen Regierung gegen ISIS-Kämpfer zu verteidigen. Auf Twitter erklärten sich Sympathisanten bereit, die «Suraja al-Islam» getaufte Brigade zu unterstützen.