In Lugano soll ein Arzt, der 2014 einer Patientin aufgrund einer Verwechslung beide Brüste amputiert hatte, vor einigen Monaten wieder im OP-Saal erschienen sein – trotz Suspendierung und laufendem Strafverfahren. Die Tessiner Regierung war über den Fall informiert.
Den Fall ans Licht gebracht hat die Tessiner Tageszeitung «La Regione» in ihrer Montagsausgabe. Die Kantonsbehörden seien darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass der Mediziner sein Berufsverbot offenbar verletzt habe, teilte das Tessiner Gesundheitsdepartement in einer Stellungnahme mit.
Aufgrund des Berufsgeheimnisses können laut dem Gesundheitsdepartement aber keine «genauen Angaben» darüber gemacht werden, in welcher Weise der Mediziner sein Berufsverbot verletzt haben soll. Laut «La Regione» soll der Mediziner in einem Fall wieder im Operationssaal anwesend gewesen sein – sein Anwalt Tuto Rossi bestätigte dies am Montag auf Anfrage der sda.
Der Gynäkologe sei im Dezember 2015 auf Anfrage einer langjährigen Patientin im OP-Saal als «moralische Unterstützung» präsent gewesen. Dies wurde laut dem Anwalt auch durch den behandelnden Arzt akzeptiert. In einem entscheidenden Moment der Operation habe sein Klient dann während «weniger Sekunden» einen Eingriff durchgeführt, der ansonsten einer Hebamme vorbehalten sei. Im Anschluss habe der suspendierte Arzt direkt und vollständig die kantonalen Behörden über diesen Schritt informiert. Die Klinikdirektion von Sant’Anna war am Montag nicht zu erreichen.
Vorläufige Suspendierung
Im Zusammenhang mit einem laufenden Verfahren habe sich bereits die Kommission für Gesundheitsaufsicht vor einigen Monaten mit dem Vorfall beschäftigt, so das Gesundheitsdepartement. Dieses hatte im September 2015 entschieden, dass dem Mann auf «unbestimmte Zeit» die Arbeitserlaubnis als Mediziner zu entziehen sei. Frühestens nach zwei Jahren könne er einen Antrag stellen, um erneut in seinem Beruf arbeiten zu dürfen. Dieser hatte sich dagegen zur Wehr gesetzt – im März bestätigte die Tessiner Kantonsregierung die Suspendierung jedoch. Gemäss dem Gesundheitsdepartement steht nun noch ein Urteil des kantonalen Verwaltungsgericht aus.
Arzt hat Vertrauen verspielt
Der Arzt hatte nach der Operation in der Klinik Sant’Anna im Juli 2014 zunächst behauptet, die Amputation beider Brüste einer 67-jährigen Patientin sei notwendig gewesen. Erst nach mehreren Monaten gab der Gynäkologe zu, die Patientin verwechselt zu haben.
Der Kantonsarzt habe bei einer Inspektion feststellen können, dass die Klinik alle nötigen Sicherheitsbestimmungen erfülle, um weitere Kunstfehler in Zukunft zu vermeiden, schrieb das Gesundheitsdepartement damals.
Die Klinik Sant’Anna, die der Waadtländer Privatkliniken-Gruppe Genolier gehört, hatte in einer Stellungnahme den schweren Vorfall bedauert. Sie liess bereits damals mitteilen, dass die Verantwortung für den Fehler alleine beim Arzt gelegen habe.