Mit einer Volksinitiative will die SVP eine Landwirtschaftspolitik nach ihrem Gusto durchsetzen. Entscheidender Punkt ist für die Partei die Versorgung der Schweiz mit einheimischen Produkten: Der Selbstversorgungsgrad soll nicht mehr sinken dürfen.
Die SVP plant die Landwirtschaftspolitik nach ihrem Geschmack zu planen. Dabei legt sie insbesonders Wert darauf, die Schweiz in Zukunft mit einheimischen Produkten zu versorgen, da der Selbstversorgungsgrad nicht mehr weiter sinken dürfe.
Eine Gruppe um den Berner SVP-Nationalrat Rudolf Joder präsentierte am Dienstag vor den Medien in Bern eine «Ernährungs- und Landwirtschaftsinitiative», für die ab Anfang 2014 Unterschriften gesammelt werden sollen. Mit dem Anliegen, das die SVP laut ihrem Präsidenten Toni Brunner unterstützt, will die Volkspartei das Heft in der Landwirtschaftspolitik in die Hand nehmen.
Die Initianten stellen ihr Begehren als Reaktion auf die neue Agrarpolitik dar, die Anfang 2014 in Kraft tritt und die aus Sicht der SVP die landwirtschaftliche Produktion in der Schweiz schwächt. Angesichts des Verschwindens von fast 13’000 Bauernhöfen in elf Jahren sei eine Reaktion notwendig, sagte Joder.
Rund 60 Prozent brutto
Die Produktion stärken will die SVP, indem der Bund für einen «möglichst hohen Selbstversorgungsgrad» mit gesunden und qualitativ guten Nahrungsmitteln aus einheimischer Produktion verantwortlich gemacht wird. Laut Bundesamt für Statistik (BFS) werden heute ungefähr 60 Prozent der Nahrungsmittel, die in der Schweiz gebraucht werden, auch in der Schweiz hergestellt.
Doch die Rechnung ist kompliziert: Die Selbstversorgung variiert wetterbedingt stark von Jahr zu Jahr und aus strukturellen Gründen von Sektor zu Sektor. Zudem importieren die Bauern Futter, Dünger, Pflanzenschutzmittel und Maschinen aus dem Ausland. Wird all dies eingerechnet, sinkt der Selbstversorgungsgrad markant.
Die Landwirtschaftsinitiative lässt offen, wie die Selbstversorgung berechnet werden soll. Sie nennt auch keine konkrete Zahl, sondern legt fest, dass der Grad mindestens dem Stand am Ende des Jahres des Inkrafttretens der Initiative entsprechen soll.
Erhöhung als Ziel
Ursprünglich wollte die SVP einen Grad von 60 Prozent in die Verfassung schreiben. Davon sei man aber abgekommen, sagte Joder. Das Ziel sei, ein «möglichst hoher Selbstversorgungsgrad».
Paul Richli, emeritierter Professor für Staats- und Agrarrecht an der Universität Luzern, brachte die Forderung nach einem hohen Selbstversorgungsgrad mit der Neutralitätspolitik in Zusammenhang. Ein neutrales Land müsse eigenständig für die Ernährung sorgen können. Richli unterstützte die Initianten in juristischen Fragen.
Besitzstandswahrung bei Liberalisierung
Weiter verlangt die Initiative, dass die Bauern bei allfälligen Öffnungen des Landwirtschaftsmarktes gegenüber dem Ausland eine Kompensation erhalten sollen. Zudem sollen Liberalisierungen – etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) – auf das «notwendige Ausmass» beschränkt werden.
Neben Selbstversorgung und Liberalisierungsbeschränkung verlangt die Volksinitiative aber auch weitere Eckpunkte für die Agrarpolitik: So soll der administrative Aufwand auf ein Minimum reduziert und die Landwirtschaftspolitik künftig auf eine längere Dauer als die heute üblichen vier Jahre ausgerichtet sein.
Mit ihrer Initiative, die geschickt auf das Wahljahr 2015 hin lanciert wird, tritt die SVP in direkte Konkurrenz zum Schweizerischen Bauernverband (SBV). Dieser liebäugelt mit einer Initiative, die ebenfalls die inländische Produktion stärken soll, allerdings ohne fixen Selbstversorgungsgrad. Dieser Vorschlag habe «zu wenig Fleisch am Knochen», sagte Brunner.