Nach dem Ja zur SVP-Zuwanderungsinitiative nehmen die Gegner die Initianten in die Pflicht, wenn es an die Umsetzung geht. Die SVP ihrerseits setzt den Bundesrat unter Druck. Auf Wirtschaftsseite herrscht die Furcht vor Fachkräftemangel und bürokratischem Mehraufwand.
Die siegreiche SVP forderte den Bundesrat am Sonntag auf, rasch eine Arbeitsgruppe zu bilden, die sich mit der Umsetzung befasst. Der Bundesrat nahm den Ball auf: Justizministerin Simonetta Sommaruga kündigte an, die Initiative werde «rasch und konsequent» umgesetzt.
Im Abstimmungskampf hatte sich die SVP zurückgehalten, wenn es um die Höhe der geforderten Kontingente ging. Auch am Sonntag schlug die Partei keine konkreten Zahlen vor. Sie teilte lediglich mit, man könne sich bei der Umsetzung am System orientieren, das bis 2007 gegolten habe. Bis dahin galten auch für die alten EU-Staaten Übergangsbestimmungen mit Kontingenten.
Klar äusserte sich die SVP dafür bezüglich des Inländervorrangs, den sie in der Initiative festgeschrieben hat: Dieser müsse sofort umgesetzt werden, teilte die Partei mit.
FDP bringt Blocher ins Spiel
Die anderen Parteien, die sich geschlossen gegen die Zuwanderungsinitiative ausgesprochen hatten, nahmen die SVP am Sonntag in die Pflicht. Die Partei müsse ihre Forderungen nun präzisieren, hiess es vonseiten der Grünen.
Auch die FDP rief die Initianten dazu auf, Verantwortung zu übernehmen. Die Freisinnigen brachten gar den ehemaligen Bundesrat und heutigen Nationalrat Christoph Blocher als «Sonder-Staatssekretär» für die anstehenden Verhandlungen mit der EU ins Spiel.
Im Hinblick auf die Verhandlungen mit Brüssel waren sich die Parteien einig: Der Bundesrat müsse nun alles daran setzen, den Schaden zu begrenzen – sprich, die Zukunft des bilateralen Wegs zu garantieren.
Die SVP hatte sich stets auf den Standpunkt gestellt, die EU werde sich bei einem Ja auf Neuverhandlungen einlassen. Diese Meinung wiederholte der Bündner SVP-Nationalrat Heinz Brand am Sonntag: «Ich gehe davon aus, dass die EU ein Interesse an der Fortsetzung der bilateralen Verträge hat.»
Die EU-Kommission in Brüssel liess ihrerseits verlauten, man sei bereit, «mit der Schweizer Regierung zusammenzuarbeiten». Der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn äusserte sich weniger diplomatisch: Das Abstimmungsresultat werde vonseiten der EU Konsequenzen haben, sagte er gegenüber dem Westschweizer Radio RTS. Und der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble prophezeite: «Das wird eine Menge Schwierigkeiten für die Schweiz verursachen.»
«Gift für die Wirtschaft»
Zu den grossen Verlieren gehören die Wirtschaftsverbände. Sie hatten die Initiative und damit die drohenden Kontingente für Arbeitnehmer aus der EU bekämpft. Nun fordern sie eine massvolle und unbürokratische Umsetzung.
Die negativen Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz müssten so gering wie möglich gehalten werden, teilte der Schweizerische Gewerbeverband mit. Auch der Baumeisterverband fordert eine wirtschaftsverträgliche Umsetzung. Denn eine «starre Umsetzung würde den Fachkräftemangel weiter verschärfen». Dazu komme der «kaum verkraftbare bürokratische Zusatzaufwand».
In sämtlichen Reaktionen schwingt die Sorge über die Zukunft der bilateralen Verträge mit. Es werde nun eine Phase der Unsicherheit folgen, sagte der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Valentin Vogt, gegenüber Schweizer Fernsehen SRF. «Das ist Gift für die Wirtschaft.»
Gewerkschaften fordern mehr Schutzmassnahmen
Aus der Sicht der Gewerkschaften sind nun starke Schutzmassnahmen noch wichtiger als zuvor. Sie fordern eine Weiterführung oder gar Verschärfung der flankierenden Massnahmen.
Es brauche tiefere Hürden zur Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, mehr Kontrollen und griffige Sanktionen, teilte der Schweizerische Gewerkschaftsbund mit.
Für die Gewerkschaften tragen die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände die Verantwortung für das Abstimmungsergebnis. Diese hätten sich gegen weitere flankierende Massnahmen gesperrt und nun «die Quittung für ihre Weigerung erhalten».