Die Chippendales nahmen die Baslerinnen am Freitag mit auf eine wilde Striptease-Reise. Die Erwartungen an den Abend wurden erfüllt. Es wurde geschrien, gestampft, der Gruppendruck im Saal ergriff auch mich. Trotzdem: Erotisch ist anders.
Hört man von einem Auftritt der Chippendales denkt man an einen Saal kreischender Frauen. Aufgekratzt, zügellos, ausser Kontrolle. Die Veranstalter versprechen eine raffinierte Bühnenshow, akrobatische Tanzeinlagen, Live-Gesang und unvergleichliche Unterhaltung. Und mein Umfeld denkt an «Hausfrauenzuflucht» und «hysterischen Hühnerstall».
So lauteten die Vorurteile, die ich mir vor meinem Besuch anhören musste. Aber kann ein Haufen strippender Männer denn wirklich solche Auswirkungen auf das Publikum haben?
Stühle werden begattet, Plastikwaffen abgefeuert
Wir befinden uns im Foyer des Stadtcasinos, wo sich das angestrebte Zielpublikum des Veranstalters versammelt hat: «Liebe Damen», wie auf der Veranstaltungsseite zu lesen war. Einzelne Gruppen, welche nicht das Glück hatten beim «VIP Meet and Greet Apéro» teilzunehmen, beginnen sich Mut anzutrinken – oder Spass.
Der Retorten-Dubstep, welcher seit einer Weile auf die Anwesenden im Saal einrieselt, wird lauter, der Vorhang gelüftet. Zum Countdown beginnen erste zu schreien. Es ist so weit. Die Testosteron-Brigade betritt die Bühne, die Show beginnt.
Vermeintliche Frauenfantasien
Nach und nach werden von der Gesellschaft kolportierte traditionelle Männerrollen und vermeintliche Frauenfantasien schauspielerisch dargestellt. Bauarbeiter, Feuerwehrmänner, Polizisten, Bauern, Cowboys, Paparazzi, Sportler, Banker, kein Dienstleistungssektor bleibt vor der Reinterpretation der Nackt-Akrobaten verschont. Sagex-Vorschlaghämmer werden geschwungen, Stühle begattet, Plastikwaffen abgefeuert.
(Bild: Fabian Odermatt/Antonia Brand)
Zur Auflockerung werden hin und wieder Zuschauerinnen auf die Bühne gebeten. Gefragt ist jeweils die «Wildeste» und «Sexyeste» der Zeigewilligen. Bei einer Verballhornung der TV-Show «Herzblatt» müssen drei Kandidatinnen auf der Bühne ihren verführerischsten Lapdance vorzeigen bzw. die Lieblings-Sexposition pantomimisch darstellen.
Die Dritte hat die Aufgabe, einer Banane ein Kondom überzustülpen – alles im Namen des Safer-Sex, wie der Moderator verkündet. Das Resultat der Übung dürfte jedem Sexualarbeiter die Haare zu Berge stehen lassen. Von wegen «sexuelle Befreiung»
Doch zum Glück geht es ja an diesem Abend nicht um die Praxis sondern lediglich um eine gute Show. Dass bei einer Veranstaltung, welche vermeintlich sexuell befreiend für die Besucherinnen sein soll, die Zuschauerinnen Spiele absolvieren müssen, in denen sie konventionell männlich zugeordneten Bedürfnissen zudienen, geht in der Hitze des Gefechts unter.
Auch der Aufruf zur sexuellen Belästigung der Tänzer darf nicht fehlen. «When you see a Chippendales dancer, you reach out and touch him. Everywhere.» Verkündet einer der Truppe, während seine Kollegen sich durch die Sitzreihen kämpfen.
Schwierig, finde ich, selbst in einem humorvollen Kontext, und stelle mir vor, wie gross die Freude der Artisten wohl wäre, wenn sie beim wochenendlichen Einkauf im 7-11 ungefragt abgetastet würden.
Immerhin: Mitreissend sind sie
All dem dumpfen Balzgehabe zum Trotz, eines können die Chippendales: Mitreissen. Und wenn es nur am Gruppendruck liegt, dass der Zuschauer das Gefühl kriegt, aufstehen und mitstampfen zu müssen. Der ganzen übersexualisierten Erotik halten sie immer noch eines Entgegen: Die Freude daran, sich selbst darzustellen.
Nach eineinhalb Stunden endet das Spektakel. «Ich habe jetzt das Bedürfnis, mir Wampen anzuschauen!», meint mein Begleiter nach dieser Reizüberflutung etwas überfordert.
Ich nicke verständnisvoll. Auch mir ist nach dieser Vorstellung ein bisschen nach ehrlicher Erotik.