Nach dem konfrontativen Auftakt der Syrien-Friedenskonferenz hat sich der UNO-Vermittler Lakhdar Brahimi zuversichtlich geäussert, dass sich die Konfliktparteien doch noch annähern.
«Wir haben einige eindeutige Hinweise, dass Parteien bereit sind, Fragen wie den Zugang zu Bedürftigen, die Freilassung von Gefangenen und örtlich begrenzte Feuerpausen zu diskutierten», sagte Brahimi.
Er traf sich am Donnerstag in Montreux getrennt mit Vertretern der syrischen Regierung und der Opposition, um zunächst einen Konsens in humanitären Fragen wie etwa der Versorgung der notleidenden Bevölkerung zu erreichen. Oppositions-Unterhändler Haitham al-Maleh sagte, die Stimmung sei ungeachtet des ersten schwierigen Verhandlungstages positiv.
Maleh sprach von einem Prozess in zwei Stufen. Bevor die politische Zukunft des Landes erörtert werden könne, müssten praktische Fragen wie der Austausch von Gefangenen, Feuerpausen, der Verzicht auf schwere Waffen sowie die Einrichtung von Hilfskorridoren besprochen werden.
Die eigentliche Friedenskonferenz sollte am Freitag in Genf fortgesetzt werden. Zum Auftakt in Montreux hatten der syrische Aussenminister Walid al-Mualem und die Oppositionsvertreter sich mit verbalen Angriffen überzogen. Der Syrien-Konflikt dauert seit fast drei Jahren an. Dabei sind mehr als 100’000 Menschen getötet worden.
Al-Kaida-Chef fordert islamistische Rebellen zur Einigkeit auf
Neben den Kämpfen zwischen Rebellen und Regierungseinheiten gab es zuletzt immer mehr Gefechte zwischen einzelnen islamistischen Gruppen. Insbesondere die Al-Kaida-nahe Gruppe Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIL) war in den vergangenen Wochen in zahlreiche Kämpfe verstrickt.
Al-Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri forderte die islamistischen Rebellen in Syrien auf, sich nicht weiter gegenseitig zu bekämpfen und sich zusammenzuschliessen. «Wir rufen all unsere Brüder in den dschihadistischen Gruppen auf, … daran zu arbeiten, den Aufruhr zu beenden», hiess es in einer auf islamistischen Internet-Seiten veröffentlichten Ton-Aufnahme, die al-Sawahiri zugerechnet wurde.
Kurden und Christen wollen an Konferenz teilnehmen
Vertreter von Kurden und syrischen Christen beantragten in Genf, an der Friedenskonferenz zu Syrien beteiligt zu werden. Eine politische Lösung könne nur unter Einbezug sämtlicher Volksgruppen gefunden werden, sagte Bassam Ishak, ein Vertreter der syrischen Christen.
Der Präsident der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), Mohammed Saleh Muslim sagte: «Man versucht, die Kurden von einer politischen Lösung auszuschliessen.»
Weiter meinte er, Genf II werde keinen Waffenstillstand erreichen können, weil die Leute in der Delegation der Oppositionellen keine Kontrolle über die Kampftruppen in Syrien hätten.
Bericht über Folter zurückgewiesen
Das syrische Justizministerium wies einen Bericht dreier Juristen aus Grossbritannien und den USA über systematisch zu Tode gefolterte Häftlinge in Gefängnissen des Landes als parteilich zurück.
In einer Erklärung vom Mittwoch hiess es, dem Bericht fehle es an «Aufrichtigkeit», «Objektivität» und «Professionalität». Die beigefügten Fotos seien «gefälscht».
«Jeder, der im Bereich kriminalpolizeilicher Ermittlungen arbeitet, wird sagen, dass diese Fotos gefälscht sind und in keiner Weise mit Häftlingen in syrischen Gefängnissen zu tun haben», hiess es in der Erklärung.
Bei einigen der auf den Fotos gezeigten Toten handle es sich um «ausländische Terroristen», die im Kampf gegen Regierungstruppen getötet oder um Menschen, die von «bewaffneten terroristischen Gruppen» getötet oder zu Tode gefoltert worden seien.
Ziel des unmittelbar vor der internationalen Syrien-Konferenz in Montreux veröffentlichten Berichts sei es, die Friedensbemühungen für Syrien zu torpedieren.
Der Bericht war am Dienstag zuerst von der britischen Tageszeitung «Guardian» und dem US-Fernsehsender CNN veröffentlicht worden. Er soll sich auf Aussagen und grausame Fotomotive eines Überläufers aus den Reihen der syrischen Militärpolizei stützen.
Den Bericht hatte das Golfemirat Katar in Auftrag gegeben, das die syrischen Rebellen finanziell und militärisch unterstützt. Die Verfasser sprachen von «Tötungen im industriellen Ausmass» durch die Staatsführung des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad. Rund 55’000 Bilder von etwa 11’000 toten Häftlingen sollen vorliegen.
Verfasst wurde der 31-seitige Bericht vom ehemaligen britischen Chefankläger des Kriegsverbrechertribunals für Sierra Leone, Desmond de Silva, dem im Prozess gegen den liberianischen Präsidenten Charles Taylor vor dem gleichen Tribunal aktiven US-Ankläger David Crane sowie dem britischen Ankläger im Verfahren gegen den ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic, Geoffrey Nice.