Die für Syrien vereinbarte Waffenruhe hat auch am zweiten Tag des muslimischen Opferfestes Eid al-Adha nicht gehalten. Die Opposition berichtete am Samstag von landesweiten Kämpfen zwischen Rebellen und Regierungstruppen.
Gegen die seit Freitagmorgen geltende viertägige Feuerpause wurde nach Erkenntnissen syrischer Aktivisten 220 Mal verstossen. Oppositionelle aus Aleppo berichteten zudem von Kämpfen zwischen Rebellen und Kurden. Dabei sollen 19 Rebellen und 10 Kurden getötet worden sein.
Auslöser soll der Versuch von Kämpfern der radikal-islamischen Al-Nusra-Front gewesen sein, in den kurdisch-christlichen Stadtteil Aschrafijeh einzudringen. Damit hätten sie gegen eine Vereinbarung mit den Kurden und den Christen verstossen, die sich bislang aus den Gefechten herausgehalten haben.
Kurden und Christen sind in Syrien in der Minderheit. Nur wenige Christen stehen auf Seiten der Opposition. Unter den Kurden gibt es Anhänger wie Gegner des Regimes.
FSA-Kommandant: Waffenruhe gescheitert
„Keine Seite scheint bereit zu sein, mit den Kämpfen aufzuhören“, sagte der Chef der der Opposition nahestehenden syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London, Rami Abdel Rahman, der Nachrichtenagentur dpa am Samstag. Er fürchte, die Feuerpause werde scheitern.
Ein Rebellenkommandant in Aleppo erklärte die vom internationalen Sondergesandten Lakhdar Brahimi ausgehandelte Feuerpause für gescheitert.
„Wir haben die Waffenruhe für die internationale Gemeinschaft akzeptiert (…), doch wir wussten, dass das Regime sie nicht einhalten würde“, sagte der Oberkommandant der Freien Syrischen Armee (FSA) in Aleppo, Oberst Abdel Dschabbar al-Okaidi, der Nachrichtenagentur AFP. „Es sind nicht wir, die angreifen.“
Am Freitagabend hatte bereits die Armeeführung den Rebellen vorgeworfen, die Waffenruhe verletzt zu haben. Die Armee sei deshalb zu Gegenangriffen gezwungen gewesen.
Gleich viel Tote wie vor der Waffenruhe
Regierung und Freie Syrische Armee (FSA) hatten am Donnerstag der von Brahimi vermittelten Waffenruhe während des viertägigen Opferfests zugestimmt. Beide Seiten hatten aber erklärt, bei Angriffen der Gegenseite zurückschiessen zu wollen.
Die Menschenrechtsbeobachter in London erklärten am Samstag, allein am Freitag seien 53 Zivilisten, 50 Rebellen und 43 Soldaten getötet worden. Damit lag die Opferzahl ungefähr auf dem selben Niveau wie vor der Feuerpause. Im syrischen Bürgerkrieg sind nach Schätzungen bislang etwa 35’000 Menschen getötet worden.
Luftangriff auf Vorort von Damaskus
Die Beobachter in London berichteten auch am Samstag von zahlreichen Verstössen. So seien bei einer Explosion in der östlichen Provinz Deir al-Sor mindestens fünf Menschen getötet worden. Das syrische Staatsfernsehen berichtete, der Anschlag mit einer Autobombe habe einer Kirche gegolten. Die Behörden meldeten, es habe aber keine Toten gegeben.
Auch meldeten sie einen Artillerieangriff auf die Ortschaft Maaret al-Artik bei Aleppo. Syrische Kampfflugzeuge hätten ausserdem am Samstag den ersten Luftangriff seit Beginn der Waffenruhe geflogen und ein Gebäude im Vorort Arbeen von Damaskus bombardiert. Dabei seien acht Menschen getötet und zahlreiche verwundet worden. Weiter meldete die Beobachtungsstelle Gefechte in der Grossstadt Daraa im Süden.
Aktivisten meldeten zudem Kämpfe in der Provinz Idlib, nahe der türkischen Grenze. Dort war die Waffenruhe am Freitag zum ersten Mal gebrochen worden, als unter anderem Anhänger der Al-Nusra-Front versuchten, einen Militärstützpunkt zu stürmen.
Die nach eigenen Angaben der sunnitischen Terrororganisation Al-Kaida nahestehenden Islamisten hatten schon im Vorfeld verkündet, sie würden die Waffenruhe ignorieren.