Nach seinem Geständnis zu dem Säureangriff auf den Ballettchef des weltberühmten Bolschoi-Theaters in Moskau sitzt der Solotänzer Pawel Dmitritschenko seit Donnerstag in Untersuchungshaft.
Der 29-Jährige wirkte bei seinem Gerichtstermin müde und tauschte zu Beginn der Verhandlung nervöse Blicke mit seinem Anwalt aus. Dieser verlangte, Dmitritschenko gegen eine Kaution von 500’000 Rubel (etwa 15’400 Franken) aus der Haft zu entlassen.
Das Gericht folgte allerdings dem Antrag der Staatsanwaltschaft: Richterin Marina Orlowa lehnte die Freilassung gegen Kaution ab. Die Polizei hatte Dmitritschenko und zwei weitere Verdächtige am Dienstag festgenommen. Die Ermittler gaben danach an, die Verdächtigen hätten die Tat gestanden.
Ballettchef Sergej Filin war Mitte Januar mit Säure angegriffen worden. Der 42-Jährige erlitt dabei Verätzungen dritten Grads im Gesicht und wird derzeit in Deutschland behandelt.
Auf die Frage, warum er den Angriff in Auftrag gegeben habe, antwortete Dmitritschenko vor Gericht jedoch: „Sind Sie sicher, dass ich das getan habe? Zu sagen, dass ich verlangt hätte, Filin mit Säure zu überschütten, ist falsch“, fügte er hinzu. Während der Verhandlung sass Dmitritschenko in einem Käfig.
„Ich habe mit Juri Saruzki über die Politik und die Korruption im Bolschoi gesprochen“, sagte Dmitritschenko weiter. Als dieser gesagt habe, er werde Filin „auf die Fresse hauen“, habe er zugestimmt. „Als ich erfahren habe, was geschehen ist, dass dabei Säure im Spiel war, war ich geschockt“, sagte der Tänzer.
„Feindliche Beziehung“
Der 35-jährige Saruzki war ebenfalls am Dienstag festgenommen worden. Die Polizei bezeichnete Dmitritschenko als „mutmasslichen Auftraggeber“ und Saruzki, der umgerechnet rund 1500 Franken für die Tat erhalten haben soll, als „Angreifer“. Ein weiterer Festgenommener, Andrej Lipatow, habe Saruzki zum Tatort gefahren.
In einem am Mittwoch im russischen Fernsehen gezeigten Geständnis hatte Dmitritschenko gesagt, er „habe dieses Verbrechen angeordnet“. Motiv der Tat sei „die persönliche feindliche Beziehung“ zwischen Dmitritschenko und Filin „in Verbindung zu ihrer Arbeit“ gewesen, erklärte die Polizei.
Dmitritschenko arbeitet seit 2002 am Bolschoi-Theater. Die Polizei erklärte am Donnerstag, „alle Verdächtigen“ seien festgenommen worden. Filins Ehefrau Maria Prorwitsch sagte jedoch der Tageszeitung „Komsomolskaja Prawda“, sie sei „überzeugt, dass der Kreis der an dem Verbrechen Beteiligten viel grösser ist“.
Spekulationen um Tänzerin
Seine Anwältin Tatjana Stukalowa erklärte jedoch, die Ermittlungen hätten Filins Verdacht bestätigt. In russischen Boulevardmedien war am Mittwoch gemutmasst worden, Dmitritschenkos Freundin, die Tänzerin Angelina Woronzowa, stecke hinter dem Angriff.
Sie sei wütend gewesen, weil Filin ihr eine Rolle verweigert habe, und habe sich gegenüber ihrem Lehrer Nikolai Ziskaridse und ihrem Freund Dmitritschenko beklagt. Ziskaridse steht in offenem Konflikt mit der Ballettdirektion und wurde von Filin bereits indirekt für den Säureangriff verantwortlich gemacht.
Mehrere Zeitungen wiesen ihm am Donnerstag die Verantwortung für den Angriff zu. Filins Ehefrau sagte, die Tänzerin Woronzowa sei nur ein „Vorwand, aber sicher nicht der Hauptgrund“ dafür.