Eine Zahlschranke für Online-Artikel – das war das grosse Zauberwort am Eröffnungspanel des Medienforum.NRW in Köln. Für Gesprächsstoff sorgte die TagesWoche, die als «tägliche Wochenzeitung» das Beste aus der Print- und digitalen Welt verbindet. Als Fazit bleibt: Noch immer haben die Verleger zu grosse Angst vor dem Internet – und den widerspenstigen Lesern.
Deutschlands Verleger kämpfen mit denselben Problemen wie ihre schweizerischen Kollegen. Das machte das Eröffnungspodium «Schöne neue Verlagswelt: vernetzt, offen, mobil» am diesjährigen «Medienforum.NRW» in Köln klar, an dem auch die TagesWoche vertreten war. Die Auflagen der gedruckten Tageszeitungen nehmen ab, und die im Internet – bislang gratis – verbreiteten News generieren zu wenig Werbeeinnahmen.
Der «Weg in die Zukunft» sei klar vorgezeichnet, sagte Christian Nienhaus, Vorsitzender des nordrheinwestfälischen Zeitungsverlegerbands NRW und Geschäftsführer der Mediengruppe WAZ, «alles weist auf die Errichtung von Paywalls hin.» Will heissen: Künftig werden auch die grossen deutschen Medienhäuser vermehrt eine Zahlschranke für ihre Online-Artikel einrichten – möglichst so unüberwindbar wie die chinesische Mauer.
Orignalität? Eher kaltes Grausen
Ein Konzept, dem der Medienfuturist Gerd Leonhard skeptisch gegenübersteht. Die Leserinnen und Leser seien durchaus bereit, für gute Inhalte zu zahlen, aber die Errichtung strikter Paywalls sei für Zeitungsverlage der falsche Weg. «Was es braucht, ist der Pay-Will.» Und dieser stelle sich beim Leser erst dann ein, wenn er wirklichen Mehrwert im Internet bekomme. «Artikel einfach nur kostenpflichtig zu machen, wird nicht funktionieren», glaubt Leonhard. «Nur wenn der Leser wirklich auswählen kann, wenn er mit dem Inhalt etwas anfangen und sich selber einbringen kann, wird er auch bereit sein, dafür zu bezahlen.» Will heissen: User zahlen für journalistische Inhalte im Internet. Aber der sogenannte Metacontent muss stimmen: Die richtigen Informationen müssen zur richtigen Zeit bequem und von überall her greifbar und vernetzbar sein. Leser und Leserinnen werden auch künftig gedruckte Zeitungen kaufen – die müssen aber überraschende Inhalte bieten und ambitioniert gestaltet sein. Wer sich derzeit in der Zeitungslandschaft umsieht, den packt diesbezüglich das kalte Grausen.
Schluss mit dem Einbahnverkehr
Für Gesprächsstoff sorgte in Köln die TagesWoche, die von Gesprächsleiter Werner Lauff als «täglich erscheinende Wochenzeitung» und als eine der «ersten Hybrid-Zeitungen im deutschsprachigen Raum» angekündigt wurde. Für die TagesWoche, deren Konzept in der engen Vernetzung von gedrucktem Wochenblatt und tageswoche.ch als Nachrichten- und Diskussionsplattform besteht, ist eine Paywall für Online-News kein Thema. Denn nur ohne Schranken lässt sich der herkömmliche publizistische Einbahnverkehr zwischen Journalist und Leser aufbrechen und kann tageswoche.ch zum offenen Ort für die Vernetzung von Informationen, Inputs, Meinungen und Debatten werden. Kostenpflichtig bleibt die gedruckte Ausgabe, deren Artikel aber via Webcode online weiterverbreitet und zur Diskussion gestellt werden können – eine Fusion des Besten aus beiden Welten, der Print- und der digitalen Welt.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Was bleibt als Fazit? Noch immer starren viele Verleger auf das Internet wie das Kaninchen auf die Schlange. Zu sehr war in Köln von gefährdeten (Print-)Geschäftsfeldern und «globalen Datenkraken» à la Google und Facebook die Rede. Zu sehr will man alten Wein in neue Schläuche füllen – als ob die dem Print abtrünnigen Zeitungsleser plötzlich zu begeisterten Online-Lesern würden. Zu wenig gesprochen wurde über die enormen Chancen, die die digitale Welt den Medienmachern eröffnet, über neue Formen der Nachrichtenvermittlung. Über Kreativität und Überraschung. Über Aufbruch. Dieser wird weiterhin auf sich warten lassen, derweil die Leser/User täglich neue Medienwirklichkeiten schaffen – und zwar diesseits der Paywall.