Take Five – oder gleich sieben!

Dave Brubeck, der kurz vor seinem 92. Geburtstag verstorben ist, spielte mit «Take Five» einen Klassiker, der nicht nur dem Quartett-Jazz zum grossen Durchbruch verhalf, sondern auch den 5/4-Takt ins Bewusstsein der Masse rückte. Ihm zu Ehren präsentieren wir sieben ungerade Klassiker: Von Dave Brubeck über Lalo Schifrin, The Beatles, Pink Floyd, Peter Gabriel bis […]

Dave Brubeck am Newport Jazz Festival 1981.

Dave Brubeck, der kurz vor seinem 92. Geburtstag verstorben ist, spielte mit «Take Five» einen Klassiker, der nicht nur dem Quartett-Jazz zum grossen Durchbruch verhalf, sondern auch den 5/4-Takt ins Bewusstsein der Masse rückte. Ihm zu Ehren präsentieren wir sieben ungerade Klassiker: Von Dave Brubeck über Lalo Schifrin, The Beatles, Pink Floyd, Peter Gabriel bis zu den Stranglers.

Unser Alltag verläuft in der Regel gradlinig: Wir tapsen im 4/4-Takt zur Schule, stampfen im 2/4-Takt über den Exerzierplatz, schreiten links, rechts, links, rechts zur Arbeit, tanzen abends zum gradlinigen Discobeat übers Parkett – und stolpern im schlimmsten Fall und eher unfreiwillig am Ende einer Tanznacht im 13/8-Takt nach Hause.

Dass es auch ungerade Taktarten gibt, haben wir alle schon gehört. Der klassische Wiener Walzer etwa basiert auf dem schaukelnden 3/4. Aber zu welchen veritablen Klassikern der jüngeren Musikgeschichte lässt es sich nicht im Stechschritt marschieren? Anlässlich des Todes von Dave Brubeck, der mit seinem «Take Five» einen Evergreen im 5/4 schuf, servieren wir sieben Beispiele mit «odd metres», also eigenartigen, schrägen Metren.

1. Dave Brubeck: «Take Five»

Wir schreiben das Jahr 1959, das Dave Brubeck Quartet arbeitet an einem Album. «Time Out» heisst der programmatische Titel. Bandleader Brubeck plant, Jazz mit ungeraden Taktarten anzureichern. So wie das in der klassischen Musik gang und gäbe war. In einer Probenpause improvisieren Schlagzeuger Joe Morello und Saxofonist Paul Desmond über einem 5/4-Takt. Brubeck hört dies und ist angetan davon. Ein, zwei Proben später steht das Arrangement, bei dem Desmond über Brubecks Klavierbegleitung und dem swingenden Rhythmus von Morello und Bassist Gene Wright ein eingängiges Saxofonthema spielt, das in die Gehörgänge kriecht und die Zuhörer vergessen macht, dass es sich hier um einen ungeraden Takt handelt.

«Take Five» wurde zum Klassiker, erklomm 1961 als Vinyl-Single gar die Top-5 der britischen Pop-Charts. Seither haben sich unglaublich viele Musiker daran versucht – sei es an Hochzeiten, Galadiners oder in Jazzclubs. Das freut übrigens das amerikanische Rote Kreuz: Songwriter Desmond übertrug diesem vor seinem Tod (1977) die Rechte. Seither erhält das Rote Kreuz alle Tantiemen, die «Take Five» einbringt: Bis 2011 belief sich der Erlös immerhin auf 6 Millionen Dollar.

2. Lalo Schifrin: «Mission: Impossible»

In der Filmmusik – wir reden hier vom Score – kommen öfter ungerade Takte vor als in klassischen Liedern. Komponisten wissen um die Magie und Dramaturgie, die ein Stück in ungerader Taktart vermitteln kann. Die Brillanz manifestiert sich allerdings hier wie auch in Songs darin, dass der Hörer den ungeraden Takt nicht als Stolperstein wahrnimmt, sondern der «odd metre» Mittel zum Zweck ist, die Leute in Bann zu ziehen. So sind ungerade Taktkombinationen selbst in absoluten Blockbustern anzutreffen: In «Pirates of the Caribbean» etwa wimmelt es nur so von Taktwechseln (Sie können mir glauben, denn ich musste durfte das mal mit einem Orchester spielen). Eines der genialsten Beispiele aber lieferte Lalo Schifrin in den 1960er-Jahren. Der argentinische Komponist schuf zur TV-Serie «Mission: Impossible» eine bis heute unverkennbare Big-Band-Titelmelodie im 5/4-Takt. Wenn Sie diese mit dem Remake von Adam Clayton und Larry Mullen (U2) vergleichen, werden Sie feststellen, dass es sich die Iren vergleichsweise einfach gemacht haben – indem sie ihre Coverversion für die Hollywood-Verfilmung 1996 weitgehend begradigten.

3. The Beatles: «Within You Without You»

Dave Brubeck rückte den Quartett-Jazz und zugleich ungerade Taktarten ins kollektive Bewusstsein. Aber auch den Beatles haben wir es zu verdanken, dass manch ein Kind schon früh mit ungewöhnlichen Metren konfrontiert wurde. «All You Need Is Love» zum Beispiel enthält zwar die verständlichste aller Botschaften («Love, Love, Love»), doch haben die Briten diese in der Strophe genial in einen 7/4-Takt verpackt. Und das so unscheinbar, dass das vermutlich Nicht-Musikern gar nicht aufgefallen ist. Aber versuchen Sie mal, die Strophe nach dem Marseillaise-Intro mit einem Vierer-Metrum durchzuzählen: Sie werden verwundert sein! Ungewöhnliche Taktarten sind in manchen Regionen dieser Welt Allgemeingut. Bestes Beispiel: Indien. Perkussionisten wie Trilok Gurtu machen uns ganz schwindlig mit ihren furiosen Odd-Beats. Nun wissen wir, dass die Beatles in ihrer Hippie-Phase nach Indien pilgerten und allen voran George Harrison sich dort mit der Musik auseinandersetzte. Daraus resultierte «Within You Without You», ein Lied, das auf dem legendären «Sgt. Pepper’s»-Album erschien und oft vergessen geht. Was uns so psychedelisch einfährt, ist nicht nur die Instrumentierung mit all den Tablas und Sitars, sondern auch die Melodie, die auf einem 5/4-Takt aufgebaut ist.

4. Pink Floyd: «Money»

Dieses Stück eröffnete die zweite Seite von «Dark Side Of The Moon», jenem grandiosen Album von Pink Floyd, das in die Geschichte ging (und fast in jedem gut sortierten Haushalt zu finden ist). Roger Waters legte mit einem Bass-Riff im 7/4-Takt den Grundstein für den Song (der später, beim Saxofonsolo, in einem 4/4-Shuffle aufgelöst wird, was zu einem brillanten Boost führt). Bereits die Kassen- und Münzengeräusche zu Beginn des Stücks sind in der ungeraden Taktart, Schlagzeuger Nick Mason und Waters nahmen diese in mühsamer Bastelarbeit auf (Sampler und Sequencer waren noch Zukunftsmusik). Kongenial finde ich übrigens das Cover der Easy Star All Stars: «Money» als Reggae, statt mit Kassengeräuschen eröffnen sie ihre Version mit Wasserpfeifengurgeln und Inhalationshusten. Herrlich! 

5. Peter Gabriel: «Solsbury Hill»

Als Sänger von Genesis konnte sich der Sänger und Flötist Peter Gabriel schon in den frühen 70er-Jahren mit ungeraden Taktarten vertraut machen. Die Progressive Rocker waren aber auch enorm kompetente Instrumentalisten, weshalb ihnen dieses Spiel leichtfiel. Als Gabriel aus der Band ausstieg, lancierte er seine Solokarriere mit einer Hommage an seinen Haushügel: Solsbury Hill, der mythisch und historisch von Bedeutung ist und an dessen Fuss sich bis heute Gabriels Real World Studios befinden. Das Lied ist in einem 7/4-Takt geschrieben, was aber die Fans an Konzerten nicht in Verlegenheit bringt, weil Gabriel auf den Backbeat verzichtet und stattdessen eine Bass-Drum durchpauken lässt. Zu der lässt es sich einfach im Viertel mitklatschen, trotz der ungeraden Taktart.

6. The Stranglers: «Golden Brown»

Eine Band, die in meinen Ohren in der Pop-Geschichte unterschätzt wird: The Stranglers aus Grossbritannien. Sie schrieben wunderbare Songs, vom düsteren New-Wave-Stück «No More Heroes» bis zum schwelgerischen Pop von «Always The Sun». Und dazwischen, quasi als Übergangsnummer, veröffentlichten sie 1981 dieses eigenartige Lied namens «Golden Brown». Eigenartig, weil sie das Leitmotiv auf einem Cembalo spielten, jenem historischen Instrument, das man mit der Barockmusik in Verbindung bringt, mit Händel und Bach und nicht mit Pop und Rock. Eigenartig aber auch, weil die Metren in diesem Stück knifflig sind, sodass sich damals auf der Tanzfläche einige Beine ineinander verkurbelten. Auch wenn der gesungene Teil im 3/4-Takt schaurig walzerig schaukelt, so lässt sich das Zwischenspiel auf dem Cembalo als 13/4 zählen – oder einfacher gesagt: Auf drei 3/4-Takte folgt ein 4/4. Ganz schön gerissen für ein Poplied.

7. Dave Brubeck: «Blue Rondo a la Turk»

Zum Abschluss dieser Liste kehren wir noch einmal zu Dave Brubeck zurück. Dessen Album «Time Out» öffnete mir (wie so vielen) die Tür zum Jazz – und zu ungeraden Taktarten ausserhalb der Klassik. Nebst «Take Five» findet sich auf diesem Kultalbum auch «Blue Rondo a la Turk». Der Name des Stücks impliziert bereits den türkischen Einfluss, so baut Brubeck das Stück auf dem im Orient durchaus gängigen 9/8-Takt auf. Das verleiht der Komposition eine dramatische Note, ehe nach rund 1.45 Minuten Swing-Takte im klassischen Metrum eingeschoben werden.

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