Erstmals seit Wochen haben bei einer Grosskundgebung in Hongkong wieder tausende Menschen für freie Wahlen demonstriert. Mit gelben Regenschirmen, dem Symbol der Demokratiebewegung in der chinesischen Sonderverwaltungszone, zogen sie am Sonntag friedlich durch das Stadtzentrum.
An der Kundgebung nahmen nach Angaben der Organisatoren rund 13’000 Menschen teil, deutlich weniger als die erwarteten 50’000 Teilnehmer. Die Polizei sprach von höchstens 8800 Demonstranten.
Die Demokratiebewegung fordert freie Wahlen in der ehemaligen britischen Kronkolonie und jetzigen chinesischen Sonderverwaltungszone. Die Regierung in Peking will zwar erlauben, dass Hongkongs Verwaltungschef 2017 erstmals von den Bürgern gewählt wird, die Kandidaten will sie aber selbst bestimmen.
Dagegen gab es in den vergangenen Monaten massive Proteste, an denen zeitweise bis zu 100’000 Menschen teilnahmen. Über Wochen blockierten Zeltlager der Demonstranten das Stadtzentrum.
Hongkongs Verwaltung und die Regierung in Peking bezeichneten die Proteste als illegal und zeigten sich zu keinerlei Konzessionen bereit. Im Dezember räumten Polizisten Lager und Barrikaden.
Verzweifelte Entschlossenheit
Trotz der niedrigen Teilnehmerzahl zeigten sich die Organisatoren der Kundgebung am Sonntag entschlossen, an ihren Protesten festzuhalten. «Das war kein kleiner Protest heute. Er war kleiner, als wir erwartet haben, aber dass sich Hongkongs Einwohner mit vorgetäuschter Demokratie abgefunden hätten, ist falsch», sagte Mitorganisatorin Daisy Chan.
Andere Redner riefen die Menschen auf, nicht zu resignieren: «Ohne Träume gibt es keine Hoffnung. Wir müssen hartnäckig bleiben, dann werden wir Erfolg haben», sagte der Mitbegründer der Demokratiebewegung, Benny Tai. Der 18-jährige Aktivist Joshua Wong fügte hinzu: «Die Leute müssen verstehen, dass sich nichts ändern wird, wenn wir das jetzt so hinnehmen.»
Verzweifelte Entschlossenheit klang auch aus den Erklärungen der Demonstranten: «Wir wollen zeigen, wie enttäuscht wir von Hongkongs Regierung sind», sagte der Marketingvertreter Ronnie Chan. «Wir wissen, dass wir wenig tun können. Aber wenn wir jetzt nicht den Mund aufmachen, wird sich nichts ändern.»
Politexperten mahnten die Demokratiebewegung, ihre nächsten Schritte mit Umsicht zu planen. Die anhaltenden Proteste hätten die Bewohner erschöpft, «zurzeit sind sie politikmüde», warnte der Hongkonger Sozialwissenschaftler Sonny Lo.