In Istanbul haben sich am Mittwoch tausende Menschen wieder zu Demonstrationen gegen die Regierung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan versammelt. Die Teilnehmer folgten damit dem Aufruf zweier Gewerkschaftsdachverbände.
Die linksgerichteten türkischen Gewerkschaftsverbände KESK und DISK riefen am Mittwoch zu einem Massenprotest gegen Ministerpräsident Erdogan auf. Tausende Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes zogen über eine Hauptstrasse zum Taksim-Platz, wie Augenzeugen berichteten.
In Sprechchören riefen die Demonstranten «Tayyip, Rücktritt». Viele schwenkten Fahnen. KESK ist der Dachverband für den öffentlichen Dienst und hatte seine Mitglieder am Vortag zum Streik aufgerufen. Gewerkschafter hatten sich bereits in den vergangenen Tagen an Protestaktionen gegen Erdogan beteiligt.
In der Nacht zum Mittwoch hatten sich die Proteste auch in die östliche Provinz Tunceli ausgebreitet. Dort setzte die Polizei nach Angaben von Augenzeugen Tränengas und Wasserwerfer ein. Demonstranten hätten zuvor Barrikaden errichtet und Steine auf Polizisten geworfen. Auch in der Provinz Hatay an der Grenze zu Syrien war die Polizei gegen Kritiker von Regierungschef Erdogan vorgegangen.
Katalog mit Forderungen
Nachdem Erdogan die Demonstranten in die Nähe von Terroristen und Kriminellen gerückt hatte, war die Regierung am Dienstag auf eine Deeskalationsstrategie eingeschwenkt. Der stellvertretende Ministerpräsident Arinç entschuldigte sich für das harte Vorgehen der Polizei und traf sich am Mittwoch mit Organisatoren der Proteste vom Taksim-Platz, die sich gegen ein Bauprojekt im Park des Platzes gewandt hatten.
Vertreter der Taksim-Solidaritätsgruppe sagten nach dem Treffen in Ankara, sie hätten in dem Gespräch ihre Forderungen vorgebracht, darunter die Freilassung aller inhaftierten Demonstranten, einen Stopp des Tränengas-Einsatzes durch die Polizei und keine Behinderung der Redefreiheit.
In der Hafenstadt Izmir nahm die Polizei nach Angaben eines Oppositionspolitikers 25 Personen fest, weil sie angeblich mit Kommentaren in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter die Unruhen angeheizt hätten. Erdogan hatte die sozialen Netzwerke als eine Plage bezeichnet. Bei den Aufständen des Arabischen Frühlings hatte die Kommunikation über Facebook und Twitter als Katalysator der Protest-Bewegungen gewirkt.
Erdogan, der sich auf einer Auslandsreise in Nordafrika befindet, äusserte sich auf einer Pressekonferenz in Algier nicht zu innenpolitischen Ereignissen. Er wird am Donnerstag in der Türkei zurückerwartet.