Tausende Oppositionelle haben mit einer Demonstration in Tunis eine Woche des Protests gegen die Regierung eingeläutet. Die Demonstranten versammelten sich am Samstag zu einer Kundgebung vor dem Gebäude der Verfassunggebenden Versammlung in der tunesischen Hauptstadt.
«Das Volk will das Regime stürzen» und «Hau ab», riefen die Demonstranten, die zum Sitz der Verfassunggebenden Versammlung zogen. In Sprechchören wurde der Chef der regierenden Ennahda-Partei, Rached Ghannouchi, als «Mörder» bezeichnet.
Mehrere Oppositionspolitiker traten als Redner bei der Kundgebung auf. «Die Regierung der Scham muss gestürzt werden», rief der Abgeordnete Mongi Rahoui der Menge zu. Er warf der Regierung «politische Morde, Terrorismus, die Einschüchterung politischer Aktivisten und die Verarmung des Volkes» vor.
Unter dem Motto «Woche des Rücktritts» hatte das Oppositionsbündnis Nationale Heilsfront (FSN) landesweite Protestaktionen gegen die Regierung angekündigt. Die Polizei gab die Zahl der Teilnehmer am Samstag mit 10’000 an, die Organisatoren sprachen von 60’000 Demonstranten. Am 6. und 13. August waren jeweils noch mehr als 150’000 Menschen auf die Strasse gegangen.
Brahmi-Mord als Auslöser
Die Opposition beschuldigt die Ennahda unter anderem des Mordes an dem Oppositionspolitiker Mohamed Brahmi. Dessen Ermordung am 25. Juli hatte die jüngste politische Krise des Landes ausgelöst. Die Regierung beschuldigt dagegen radikale Salafisten der Tat.
Die Ankündigung der Protestwoche erfolgte, nachdem ein Vermittlungsversuch der Gewerkschaft UGTT zwischen Regierung und Opposition am Freitag gescheitert war. Die Opposition hatte ein Gesprächsangebot der regierenden Islamisten zur Bildung einer Expertenregierung zurückgewiesen und auf der Auflösung der Regierung beharrt. Die Ennahda hatte mit der Bereitschaft zur Bildung einer Expertenregierung erstmals ihren Rücktritt in Aussicht gestellt, wollte aber bis zu einer Übereinkunft im Amt bleiben.
Opposition plane Staatstreich
Zu den Punkten, die der Regierung von ihren Gegnern zur Last gelegt werden, gehören insbesondere wirtschaftliche Probleme. Die Opposition fordert zudem eine Auflösung der Verfassunggebenden Versammlung, die sich bislang nicht auf eine neue Verfassung für das nordafrikanische Land einigen konnte.
Führende Islamisten werfen der Opposition vor, sie plane einen «Staatsstreich» nach dem Vorbild Ägyptens, wo die Armee den demokratisch gewählten Präsidenten, den Islamisten Mohammed Mursi, Anfang Juli gestürzt hatte.