Im Südsudan hat sich die Staatskrise verschärft. Während die Kämpfe in der Hauptstadt Juba am Dienstag weiter tobten, flüchteten mehrere tausend Schutzsuchende auf das dortige Gelände der UNO-Friedensmission. Die Zahl der Todesopfer seit Sonntagabend stieg auf 66.
Seit Dienstagmorgen seien «schätzungsweise 10’000 Zivilisten» auf dem UNO-Komplex in Juba untergekommen, erklärte die UNO-Sonderbeauftragte Hilde Johnson. Sie rief alle politischen Kräfte und Stammesführer zur Zurückhaltung auf, um die ethnischen Spannungen und die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Land nicht weiter zu verschärfen. Auch die Afrikanische Union äusserte sich «höchst besorgt» und mahnte eine Deeskalation an.
Bei den Kämpfen verfeindeter Truppeneinheiten in Juba kamen nach Angaben eines Mediziners vom Dienstag mindestens 66 Soldaten ums Leben, die nun in einem Massengrab beerdigt werden sollen. Das Gesundheitsministerium sprach zudem von mindestens 140 Verletzten.
Schüsse und Explosionen
Regierungsstreitkräfte hatten laut Präsident Salva Kiir einen Staatsstreich vereitelt, die Sicherheitslage in Juba am Montag aber wieder «vollständig unter Kontrolle» gebracht. In der Nacht zum Dienstag und tagsüber waren dann jedoch Schüsse und Explosionen in mehreren Stadtvierteln zu hören. Auch schwere Waffen kamen dabei zum Einsatz.
Jubas Strassen waren am Dienstag menschenleer, die Geschäfte geschlossen, auch der Flughafen blieb geschlossen. Nur einige Militärfahrzeuge patrouillierten durch die Stadt. «Wir würden etwas zu essen auf dem Markt kaufen, aber wie soll man bei diesen Schüssen nach draussen gehen?», fragte eine Bewohnerin des Viertels Mauna. Augenzeugen berichteten, dass in Nachbarschaft von Kasernen lebende Anwohner in andere Stadtteile umsiedelten.
Der Südsudan, der im Jahr 2011 durch die Abspaltung vom Sudan seine Unabhängigkeit erlangte, gilt als instabil und unterentwickelt. Allerdings verfügt das verarmte Land über grosse Ölreserven. In einem erbitterten Bürgerkrieg wurden von 1983 bis zu einem Friedensabkommen im Jahr 2005 etwa zwei Millionen Menschen getötet.
Zweifel an Putsch-Erklärung
Präsident Kiir ist umstritten und wird von Führungsmitgliedern der ehemaligen Rebellenorganisation und jetzt regierenden Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM) «diktatorischen» Verhaltens beschuldigt. Einige Beobachter zweifeln deshalb auch am Wahrheitsgehalt der Putsch-Erklärung von Kiir, der sich möglicherweise bloss seines Rivalen Riek Maschar zu entledigen versuche.
Maschar führt die gespaltene SPLM-Gruppe und kämpfte einst auf beiden Seiten des Bürgerkriegs. Nachdem er seine Kandidatur gegen Kiir bei der Präsidentschaftswahl 2015 angekündigt hatte, wurde Maschar im Juli als Vizepräsident entlassen.