Kapitalismus-Kritiker aus Griechenland und Italien, Parlamentarier aus Portugal und Irland sowie NGO-Vertreter aus zahlreichen weiteren Ländern begehren gegen die europäische Austeritätspolitik auf: Am Weltsozialforum brachten sie ihr Missfallen klar zum Ausdruck.
Der Sparwahn zerstöre die Staaten, schaffe neue Ungerechtigkeiten und stosse die schwächsten Glieder der Gesellschaft ins Elend, erklärten die Teilnehmer einer Tagung im Rahmen des Weltsozialforums am Donnerstag in Tunis.
Der Siedepunkt sei erreicht, hiess es. Von einem Angriff auf die Gesamtheit aller Bürger sprach etwa die portugiesische EU-Parlamentarierin Alda Sousa, die in emotionalen Worten die «brutale» Auswirkung der Krise auf ihr Land schilderte: Die Sparpolitik drohe die Familien zu ersticken.
Gleichzeitig begännen die Menschen zunehmend, sich zu wehren. «Die Dinge kommen in Bewegung», betonte Sousa, die im EU-Parlament der Fraktion der Linksgrünen angehört. In einigen portugiesischen Familien würden drei Generationen – vom Grossvater bis zur Enkelin – gemeinsam an den Portesten teilnehmen.
Neue Bedeutung für Bauern
Der französische Autor Hervé Kempf («Fin de l’Occident, naissance du monde») hält es allerdings für unausweichlich, dass der Westen in materieller Hinsicht ärmer wird. Das Ansammeln von «Gadgets», Schnickschnack, lasse sich nicht aufrecht erhalten. Wesentlich wichtiger sei es, die Ungleichheiten global zu vermindern.
Kempf geht so weit, dass er sich eine Zukunft vorstellt, in der die Landwirtschaft – als «unentbehrliches soziales Sicherheitsnetz und zukunftsträchtigste Branche» – wieder massiv an Bedeutung gewinnt.
Alternativen zur Sparpolitik
Die europäischen Teilnehmer des Weltsozialforums in Tunis luden am Donnerstag an den «Alter Summit» am 7./8. Juni in Athen ein, wo ebenfalls gegen die Austeritätspolitik protestiert werden soll.
Erwartet werden in Griechenland 1500 europäische NGO sowie zahlreiche Prominente, Künstler und Intellektuelle. Angemeldet haben sich neben anderen der britische Regisseur Ken Loach, die französisch-amerikanische Politikwissenschaftlerin Susan George sowie der Genfer Soziologe und alt Nationalrat Jean Ziegler.
Unter anderem soll in Athen ein Manifest der Völker Europas mit alternativen Vorschlägen zur Krisenbewältigung verabschiedet werden. Das Programm werde als gemeinsame Handlungsanleitung der sozialen und ökologischen Kräfte zu verstehen sein, hiess es.