Der russische Kultregisseur Kirill Serebrennikow zeigt in der Strauss-Oper «Salome» den Gefangenen Jochanaan als muslimischen Propheten. Die Prinzessin lässt ihn köpfen – wie Islamisten es tun. Dieses Gedankenspiel lässt einen so schnell nicht los.
Die Geschichte hat der Regisseur in der modernen Welt einer gutsituierten Familie angesiedelt. In diesem Milieu lässt er Religionen und kulturelle Konflikte aufeinanderprallen. Es ist eine Welt, in der islamische Einflüsse immer stärker werden. Wohl auch deshalb zeigt er den Gefangenen Jochanaan als muslimischen Propheten.
Der Prophet spricht davon, dass sich alles von Grund auf verändere, eine Revolution und Unheil komme: «Durch das Weib kam Übel in die Welt!». Aber niemand hört ihm zu.
Serebrennikow, der auch die Kostüme entwarf, zeigt die Frauen mal in Unterwäsche, mal mit Kopftuch oder auch ganz schwarz verhüllt. Im Hintergrund flimmern islamistischer Terror, arabische Schrift, Kriegs- und Flüchtlingsbilder – und manchmal eine über allem stehende Kanzlerin Angela Merkel.
Das Premierenpublikum war am Sonntagabend sehr angetan von der Arbeit des Russen. Der intensive Applaus mit Händen und Füssen liess den Boden in der sanierungsbedürftigen Stuttgarter Staatsoper beben.
Trotz allem visuell nicht überfrachtet
Serebrennikow entlässt seine Zuschauer in die Nacht mit Eindrücken, die einen nicht so schnell wieder loslassen. Zu sehen sind blutige Szenen in Trickfilmen, aber auch Originalaufnahmen von Islamisten, die Menschen köpfen. Diese Bilder übertragen sich später auch auf die Schlüsselszene, in der Salome Jochanaan aus purer Lust den Kopf abtrennen lässt. Der Zuschauer sieht das als gepixelte Videoszene.
Dabei lässt der auch für seine Filme in Russland gefeierte Serebrennikow an keiner Stelle die visuellen Reize dominieren. Musik ist hier alles.
Keine Reaktion auf Paris
Das Konzept, die Handlung in einen muslimischen Kontext einzubetten, ist mehr als ein Jahr alt und keine Reaktion auf den Terror in Paris, wie Serebrennikow vorab sagte. Zeigen will er mit seinem Gedankenspiel, dass «globales Einander-Nicht-Verstehen» und die Unfähigkeit, einander zuzuhören, zwangsläufig in Gewalt münden.