Die Extremisten-Organisation Al-Kaida hat sich per Internetbotschaft in den Konflikt in Ägypten eingeschaltet. Sie fordert die Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi auf, für die Einsetzung der Scharia zu kämpfen.
In einer am Samstag auf mehreren radikal-islamischen Webseiten veröffentlichten Aufnahme drängte Al-Kaida-Chef Ajman al-Sawahri die Muslimbrüder und andere Anhänger des gestürzten Präsidenten Mursi, sich von der Demokratie abzuwenden und für eine Regierung auf Grundlage des islamischen Rechts einzusetzen.
Die Legitimität liege nicht in Wahlen und Demokratie, sondern in der Scharia. Was in Ägypten geschehen sei, sei der beste Beweis, dass Demokratie als Weg zur islamischen Herrschaft nicht tauge.
Muslimbrüder kritisieren Kerry-Äusserungen
Am Donnerstag hatte eine Äusserung von US-Aussenminister John Kerry den Zorn der Muslimbrüder heraufbeschworen. Die Armee sei auf Wunsch des Volkes eingeschritten und habe die «Demokratie wiederhergestellt», sagte Kerry.
Der Sprecher der islamistischen Muslimbruderschaft, Gehad al-Haddad, warf Kerry daraufhin die Legitimierung eines Militärputsches vor. «Würde Aussenminister Kerry akzeptieren, dass Verteidigungsminister (Chuck) Hagel einschreitet und (US-Präsident Barack) Obama absetzt, wenn es grosse Proteste in Amerika gibt?», fragte al-Haddad.
Al-Kaida-Chef Sawahiri warf den USA daraufhin in einer Audiobotschaft eine Verschwörung gegen Mursi vor. Die USA hätten mit dem ägyptischen Militär, Säkularen und Christen in Ägypten gemeinsame Sache gegen Mursi gemacht, sagte Sawahiri in der Botschaft, die in einem Forum militanter Islamisten im Internet veröffentlicht wurde. Den ägyptischen Vizepräsidenten Mohamed El Baradei bezeichnete er als amerikanischen «Gesandten».
Am Freitag relativierte Kerry seine Äusserungen und rief erneut zu einer Rückkehr zur Normalität in Ägypten auf. Ziel müsse es sein, zusammen mit allen politischen Lagern eine friedliche Lösung zu finden.
Neue Ausschreitungen
Die Lage in Ägypten blieb gespannt. Am Freitag kam es in Kairo wieder zu Zusammenstössen zwischen demonstrierenden Muslimbrüdern und der Polizei. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein.
Zahlreiche Mursi-Anhänger marschierten in der Nacht auf Samstag zum Hauptquartier des Militärgeheimdienstes, drehten aber nach einem kurzen Protest vor dem Gebäude wieder um. Ein weiterer Protestzug hatte die Zentrale der Sicherheitspolizei zum Ziel.
Die tausenden Mursi-Anhänger trotzten mit ihren Aktionen den Drohungen des Innenministeriums, ihre seit Wochen andauernden Proteste auf den Plätzen Rabaa al-Adawija und al-Nahda gewaltsam aufzulösen.
Das Militär hatte den ersten frei gewählten Präsidenten des Landes am 3. Juli abgesetzt und hält ihn an einem geheim gehaltenen Ort fest. Mursi wird von seinen Gegnern vorgeworfen, einen muslimisch-orthodoxen Staat anzustreben und etwa Frauen- und Bürgerrechte aushebeln zu wollen.
Folter-Vorwürfe gegen Mursi-Anhänger
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte unterdessen eine Untersuchung von Folter-Vorwürfen gegen Anhänger Mursis. Es gebe Hinweise, «darunter Zeugenaussagen von Überlebenden», dass Anhänger des rivalisierenden politischen Lagers von Mursi-Anhängern «gefoltert» worden seien.
Die Vorwürfe seien «äusserst ernst zu nehmen und müssen mit höchster Dringlichkeit untersucht werden», sagte die ai-Vizedirektorin für Nahost und Nordafrika, Hassiba Hadsch Sahraoui. Zugleich warnte sie, die Vorwürfe dürften nicht als Vorwand für eine «kollektive» Bestrafung von Mursi-Anhängern benutzt werden.