Seit April mussten im Tessin Antragsteller für eine Aufenthaltsbewilligung einen Strafregisterauszug vorweisen. Damit soll nun Schluss sein. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) erklärt den Tessiner Vorstoss für nicht zulässig.
Das generelle und flächendeckende Einfordern von Strafregisterauszügen widerspreche dem Personenfreizügigkeitsabkommen und dem europäischen Gemeinschaftsrecht, sagte SEM-Sprecher Martin Reichlin am Mittwoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Darauf habe die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements EJPD, Simonetta Sommaruga, den Kanton Tessin bereits 2013 aufmerksam gemacht – damals hatte der Südkanton bereits einen Versuch unternommen, flächendeckend Strafregisterauszüge zu verlangen.
Raubüberfall war Auslöser
Reichlin bestätigte zugleich eine Meldung der Tessiner Tageszeitung La Regione vom Mittwoch, wonach SEM-Staatssekretär Mario Gattiker einen Brief an den Tessiner Regierungspräsidenten Norman Gobbi (Lega) verfasst habe, um ihn über den Verstoss zu informieren.
Das Tessiner Departement für Sicherheitsfragen, dem Gobbi vorsteht, hatte Ende Mai auf Anfrage mitgeteilt, dass ein Raubüberfall in der Grenzgemeinde Novazzano TI Auslöser für die neue Sicherheitsbestimmung gewesen sei – die Täter hätten eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz besessen, obwohl sie bereits über ein langes Vorstrafenregister in Italien verfügten.
Man prüfe aktuell das Antwortschreiben und bereite eine Stellungnahme «in den kommenden Wochen» vor, sagte die Departementssprecherin Frida Andreotti am Mittwoch auf Anfrage.
Schweizer und italienische Lega im Clinch
Die im April eingeführte Regelung gilt zunächst befristet – betroffen sind Antragssteller für eine Aufenthaltsbewilligung B aus den EU-/EFTA-Staaten sowie Grenzgänger aus Italien.
Die verschärften Bestimmungen sorgten Ende Mai ebenfalls für Misstöne zwischen Gobbi und dem Präsidenten der Lombardei, Roberto Maroni (Lega Nord).