Tessiner sprechen sich für Inländervorrang aus

Dem Lohndumping im Tessin soll mit einem kantonalen Inländervorrang ein Riegel geschoben werden. Das Stimmvolk sprach sich am Sonntag für eine entsprechende SVP-Initiative aus. Die praktische Umsetzung könnte sich nun aber schwierig gestalten.

Viele Tessiner sehen in den italienischen Grenzgängern die Ursache für das Lohndumping im eigenen Kanton. Sie sprachen sich deshalb für einen kantonalen Inländervorrang aus, den eine Initiative der kantonalen SVP gefordert hatte. (Bild: sda)

Dem Lohndumping im Tessin soll mit einem kantonalen Inländervorrang ein Riegel geschoben werden. Das Stimmvolk sprach sich am Sonntag für eine entsprechende SVP-Initiative aus. Die praktische Umsetzung könnte sich nun aber schwierig gestalten.

Die SVP-Initiative «Zuerst die Unseren» forderte erfolgreich, dass einheimische Personen im Falle gleicher Qualifikation bei der Stellenvergabe gegenüber einer Person ohne Wohnsitz in der Schweiz bevorzugt werden müssen. Grenzgänger sollen auch weiterhin im Tessin Beschäftigung finden, allerdings nur in jenen Wirtschaftszweigen, wo es einen «wirklichen Bedarf» gebe und keine einheimische Person ersetzt werden.

Rund 58 Prozent sprachen sich für die Initiative aus, 39,7 Prozent waren dagegen. Die Stimmbeteiligung lag bei 44,9 Prozent.

Laut den Initianten soll so der einheimische Arbeitsmarkt geschützt und «würdige Löhne» ermöglicht werden. Für die Initiative waren im April 2014 mehr als 10’000 Stimmen gesammelt worden – nur 7’000 wären für ein Zustandekommen nötig gewesen.

Zwei Monate zuvor, im Februar 2014, hatten 68,2 Prozent der Stimmberechtigten im Tessin Ja zur nationalen SVP-Einwanderungsinitiative gesagt – so viele wie in keinem anderen Kanton. Von Seiten der Tessiner SVP heisst es, dass Tessiner Arbeitnehmer einer unrechtmässigen Konkurrenz ausgesetzt seien: Die rund 62’000 italienischen Grenzgänger könnten zu niedrigeren Löhnen arbeiten, weil die Lebenshaltungskosten in ihrem Heimatland niedriger seien.

Umsetzung schwierig

Das Tessiner Stimmvolk wandte sich mit der Annahme der Initiative gegen Parlament und Regierung. Diese hatten einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, weil die Initiative Landesrecht und internationale Verträge gefährden könnte.

Die Forderungen der «Zuerst die Unseren»-Initiative könnten besser auf nationaler Ebene über die «Bottom-up-Schutzklausel» erfüllt werden, argumentierte eine bürgerliche Mehrheit im Kantonsparlament. Der Grenzgängerkanton Tessin hatte dieses vom ETH-Professor Michael Ambühl entworfene Modell in die Zuwanderungsdiskussion eingebracht.

Beim Gegenvorschlag lag der Ja-Stimmenanteil bei rund 36,6 Prozent, 57,4 Prozent lehnten ihn dagegen ab. Die Stichfrage war angesichts dieses Resultats bedeutungslos.

Da es sich um eine Änderung der Kantonsverfassung handelt, müssen noch National- und Ständerat entscheiden, ob die «Zuerst die Unseren»-Initiative aus dem Tessin überhaupt mit höherem Recht vereinbar ist.

Die Tessiner Kantonsregierung teilte unmittelbar nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses mit, dass der Kanton verpflichtet sei, sich an Bundesrecht zu halten. Um die «Hürden» bei der Anwendung des neuen Gesetzes zu überwinden, soll zunächst eine Arbeitsgruppe mit allen im Parlament vertretenen Parteien gegründet werden, so die Regierung.

Bürokratieaufwand zu hoch

Die Initiative «Schluss mit dem Lohndumping im Tessin», welche auf das Jahr 2011 zurückging, scheiterte dagegen an der Urne. 52,4 Prozent lehnten das Volksbegehren ab.

Die Bewegung für den Sozialismus (MpS) hatte unter anderem gefordert, dass künftig das kantonale Arbeitsinspektorat kräftig verstärkt wird. Um das Lohndumping an der Wurzel zu packen, sollten ausserdem Delegierte in jeden Betrieb entsendet werden – dies ging der CVP mit Unterstützung von Lega, FDP, SP und SVP entschieden zu weit. Sie formulierten deshalb ein Gegenprojekt, das im Juni 2016 vom Kantonsparlament abgesegnet wurde. Es bekam nun auch die Unterstützung des Tessiner Stimmvolks.

Rund 55 Prozent sprachen sich für den Gegenvorschlag aus. Die Ausgaben für die Arbeitsmarktüberwachung sollten nun niedriger ausfallen und der bürokratische Mehraufwand auf ein Minimum reduziert werden. Zudem wurde auf die bereits bestehenden begleitenden Massnahmen verwiesen.

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