The Broken Circle

An der Berlinale gewann «The Broken Circle» den Publikumspreis. Damit bewies der Belgier Felix von Groeningen Gespür für eine herbe Liebesballade, die sich irgendwo im musikalischen Niemandsland des amerikanischen Westens und dem prekären Belgischen Osten in alle Herzen spielt. Sie: eine magnetische Frau. Er: ein blecherner Kerl. Was dürfen wir da anderes erwarten, als das […]

An der Berlinale gewann «The Broken Circle» den Publikumspreis. Damit bewies der Belgier Felix von Groeningen Gespür für eine herbe Liebesballade, die sich irgendwo im musikalischen Niemandsland des amerikanischen Westens und dem prekären Belgischen Osten in alle Herzen spielt.

Sie: eine magnetische Frau. Er: ein blecherner Kerl. Was dürfen wir da anderes erwarten, als das grosse Herzscheppern, wenn erst beide der Anziehungskraft erliegen? Elise besitzt ein Tattoo-Studio und Blumen auf der Haut. Didier spielt Banjo und bringt die Blumen auf ihrer Haut zum blühen. Sie singt sich in sein Herz. Er ist der perfekte Saitenmann an ihrer Seite. Bald singen die beiden zusammen. Ein Grund, schon die Taschentücher zu zücken?

«The Broken Circle», der an der Berlinale in Berlin den Publikumspreis gewann, ist weit mehr als eine Liebesgeschichte. Der Belgier Felix von Groeningen erzählt auch das Scheitern einer Utopie: In den Kulissen eines unkonventionellen Musikerlebens ist kaum Platz für ein Kind. Elise traut sich ihrem Didier kaum es zu sagen: Sie ist schwanger! Didier will es erst gar nicht wahrhaben, dass er Vater werden könnte.

Auch wenn die beiden sich in der Beziehung nicht wirklich berappeln, die Musik trägt sie weiter. Plötzlich gesellt sich aber ein weiterer Kampf dazu: Das Kind, endlich willkommen, verabschiedet sich, erst langsam, dann leise, dann dramatisch in eine unheilbare Krankheit. Das stürzt die Eltern in die nächste Krise, und an den Rand einer Trennung – wäre da nicht die Musik. Sie schweisst sie zusammen wie sie auch ihren Freundeskreis zusammen hält.

Doch dem verworrenen Kampf um das Kind folgt ein weiterer: Jetzt gilt es, die gegenseitigen Schuldgefühle abzuarbeiten. Das gemeinsame Leben steht vor der letzten Prüfung, in der auch die gemeinsame Kunst in Frage steht. «The Broken Circle» ist nicht zuletzt auch eine jener Geschichten, in denen die Musik eine Hauptrolle spielt. Wobei es wohl nicht die Musik ist, die die Frau mit dem Mann verbindet, sondern eher die Frau zu sich selbst bringt: Der Mann bleibt bis zum Schluss blechern, während die Frau am Ende als eine einsam gebliebene daran zerbricht.

Von Groeningen nutzt den ewiggleichen Rhythmus der Bluegrass-Musik als Kontrapunkt in seiner Liebesballade: Die Texte künden von Schmerz und Entbehrung. Die Melodien halten fast heiter dagegen. Auch wenn vor unseren Augen ein Kind sich aus der Welt verabschiedet, auf der es erst nicht ganz willkommen war, bewahrt er damit dem «Broken Circle» einen optimistischen Grundton: Eine turbulente Liebesgeschichte zielt auf unsere Taschentücher.

Aufgenommen in einer frei erfundenen Wohnwelt am Stadtrand, erzählt in einem betörenden Tempo, gespielt mit dokumentarischer Privatheit, verdichtet sich die Liebesgeschichte von Elise und Didier zu einem kleinen Melodram. Allerdings: Man muss sich für diese – dem amerikanischen Westen entliehene – Musik erwärmen können. Sonst sitzt man da, wie ich, und mag diesen hölzernen Bluegrass vielleicht nicht. Veerle Beetens verleiht mit ihrer klaren Stimme Elise etwas fast Unverletzliches. Das macht sie im Sog der Geschichte zu einem sehnsüchtigen Fremdkörper, auf desseh Haut die Tattoos immer wieder neu überschrieben werden. Bis die  letzte Überschreibung sie schliesslich alle auslöscht. Dann darf man wieder zu den Taschentüchern greifen.

 

 

 

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