The Great Gatsby – Ein Meisterwerk mit wenig Sympathie fürs Sympathische

«Setz den goldenen Hut auf, wenn du sie kriegen willst. Bis sie ruft: Goldbehüteter. Ich muss dich haben». Diese Zeilen stellt F. Scott Fitzgerald seinem Roman voraus, indem er das Leben von James Gats schildert. Gat ist ein umgangsprachliches Wort für einen Revolver. Wer Gats heisst, kann seine Herkunft nur schwer verbergen. The «Great Gatsby» […]

«Setz den goldenen Hut auf, wenn du sie kriegen willst. Bis sie ruft: Goldbehüteter. Ich muss dich haben». Diese Zeilen stellt F. Scott Fitzgerald seinem Roman voraus, indem er das Leben von James Gats schildert. Gat ist ein umgangsprachliches Wort für einen Revolver. Wer Gats heisst, kann seine Herkunft nur schwer verbergen. The «Great Gatsby» tut es. Er erfindet seine Vergangenheit neu. Wie das mit der Zukunft klappt, führt uns Leonardo DiCaprio in der 3D-Verfilmung von Baz Luhrman vor. Brilliant.

Das «Doublethink» der High Society in Fitzgeralds «Gatsby». Leonardo DiCaprio und Carrey Mulligan in der 3-D-Neuverfilmung Baz Luhrman  (Strictly Ballroom –Romeo + JuliaMoulin RougeAustralia)


Scott Fitzerald ist auf der sonnigen Seite des Lebens geboren worden. In seinem Roman «The Great Gatsby» lässt er in den ersten Sätzen sein Alter-Ego Nick darauf hinweisen, dass ihm dies nicht das Recht gebe, über andere zu urteilen. Damit setzt sich Fitzgerald elegant über das Täter-Opfer-Schema jener Zeit hinweg, über den Rassismus der amerikanischen High Society, der durchaus auch in seinem Werk aufblitzt, ebenso, wie über die grenzenlose Bevorzugung der Stärkeren im amerikanischen Alltag. Fitzgerald liefert aber nicht nur eine leichfüssige, bitterböse Analyse des bürgerlichen Liebesideals. Er beweist auch sehr früh die heutige Einsicht, dass die High Society die Einhaltung der Moral von jenen unerbittlich verlangt, die neu in die High Society wollen, nicht aber von sich selbst.   

Vielmehr als die Ankündigung ist von der ersten Verfilmung (1926) nicht mehr erhalten.

In «The Great Gatsby» legt der grosse Amerikaner Zeugnis über das Leben der amerikanischen Upper Class ab, die das Wort «Negro» noch benutzt wie einst zur Zeit der Sklaverei. In dieser herrschenden Klasse vermutete man hinter allen Krisen, auch bei einer Ehekrise, lieber als Ursache den Einfluss der schwarzen Rasse, als den Zerfall der bürgerlichen Werte. Klarsichtig deckt Fitzgerald auf, wie dünn die Luft unter Neureichen, Steinreichen und Altreichen ist: Sie schwitzen heftig und investieren viele Gefühle, anstatt sie zu verschenken. Sie betrügen sich und hintergehen sich, aber verlassen sich nicht – zumindest nicht ihre Vermögen, und wenn, dann nicht freiwillig. Trotzdem sind sie nicht glücklich. Wer sich alles kaufen kann, kann doch eines nicht: In den Besitz von  Liebe kommen. Verurteilen will Fitzgerald sie dafür nicht. Sonst wäre seine Analyse auch nicht so brilliant.

Die Verfilmung von 1949 kann nicht mit der Opulenz späterer Versionen mithalten.

 

Der Literat als Zaungast der Reichen

Im «Great Gatsby» schreibt Scott Fitzgerald sein Alter-Ego als eine Art Gast in die High Society hinein, als wortwörtlichen Zaungast. Der Fondsmanager Nick wird als Nachbar von Gatsbys Anwesen zu dessen Parties geladen, und versteht bald, warum: Gatsby zeigt sich an seiner Cousine interessiert. Der Fondshändler Nick beginnt zu verstehen, dass er nur Teil einer grösseren Intrige ist. Aber er ahnt noch nicht, auf welcher Seite er zum Schluss stehen wird.

Gatsby nämlich, der menschenscheue Neureiche, versucht seinen zweifelhaften Ruf ebenso los zu werden, wie, sich jenen Traum zu erfüllen, für den er so steinreich wurde: Er möchte von jener Frau geliebt werden, die auf der anderen Seite der Bucht lebt, um derentwillen er sich hier so prunkvoll niedergelassen hat. Daisy. Er will sie!

 

Die Salon-Variante aus dem Jahre 1974  (Clayton/Coppola)

Dass die derart verehrte Daisy mit einem Football-Spieler nicht glücklich verheiratet ist, scheint Gatsbys Ansinnen zu erleichtern. Dass Daisy eine leichtlebige Freundin hat, scheint ebenfalls Hindernisse abzubauen. Dass ihr Mann ein Verhältnis mit einer anderen Frau hat, scheint die Lösung zu sein. Gatsby kann also zur Offensive ansetzen. Er versucht Daisy mit Parties zu beeindrucken. Er gewinnt ihr Interesse. Alles scheint klar: Bis Daisys Gatte Tom den Neureichen plötzlich zur Rede, und Besitzansprüche an Daisy stellt. Es folgt ein überraschendes Ende. Geschickt verknüpft Fitzgerald die Schicksalsfäden mit den Strängen der Intrige:

Daisy fährt ihre Rivalin tot. Gatsby wird von deren Gatte erschossen – ausgerechnet vom jemem Gatten jener Frau also, mit der Daisys Gatte ein Verhältnis hatte. Der altreiche Tom siegt über den neureichen Jay. Folgerichtig steht auch Jays Vermögen zur Disposition: Da sind faule Bonds aufgetaucht. Die bürgerliche Doppelmoral siegt, während das Vermögen des Neureichen neu verteilt wird. Daisy bleibt bei Tom.  

In den Siebziger Jahren: Robert Redford und Mia Farrow in Claytons Verfilmung eines Drehbuches von Francis Ford Coppola

 

Ein neugesehenes Weltbild – kurz vor dem ökonomischen Zusammenbruch

Warum nun die Neuverfilmung? Was hatte Clayton/Coppola uns unterschlagen? Eigentlich hat sich doch der Drehbuchautor Francis Ford Coppola treu an die Vorlage gehalten. Robert Redford durfte nach Drehbuch den scheuen Schönling geben. Mia Farrow mimte neben ihm jene fiebrig verwöhnte Daisy, als Opfer. Als Täterin. Als Ausbrecherin. Ebenso wie: Als Machthaberin. 

In der Verfilmung von 1974 liefert der Regisseur Clayton eine puppenhaftes Porträt der amerikanischen High Society, die damals den moralischen Führungsanspruch an die Welt noch anstreben durfte. Er interessiert sich dabei nur oberflächlich für die zwei Herren-Männer, die um eine Frau buhlen. Das dahinterliegende Herren-Prinzip schildert er kaum.

Der altreiche Footballspieler, mit dem Hintergrund der Herrenrasse, heiratete Daisy einst auf dem Höhenpunkt seiner Bekanntheit. Nun ist der weltbekannte Prominente Tom auf dem Abwärtsweg. Das ist das Elend des Football-Spielers. Tom ist als junger Mann schon ein Rentier. Nun erhält er Konkurrenz vom neureichen Emporkömmling, der sich erst heute bei Daisy auch Chancen ausrechnen darf, seit er so reich ist. Vor fünf Jahren hatte sie ihn – einen Nobody – rasch vergessen.

Tom sieht sich als Gatte mit einem Mal im Wettbewerb mit dem der Welt unbekannten Neureichen, Jay Gatsby, der sich auf einem unaufhaltbaren Aufstieg zu befinden scheint. Er überträgt das Prinzip des finanziellen Wettbewerbs auf die Brautschau, ebenso wie er das Prinzip der Käuflichkeit auf die Liebe anwendet. In Scott Fitzgeralds meisterlicher Beobachtung ist das ein Hochgenuss der literarischen Analyse. Im Claytons Film ist es eher Kulisse.

Ebenso wie Fitzgerald lässt der Clayton Nick als neutralen Beobachter, als dritter im Bunde der Herren-Männer, die Geschichte erzählen. Der Autor lässt Nick im Roman sich als Geschäftsfreund, Bondhändler und Vertrauter, derart in der Nähe von Gatsby bewegen, dass er als Cousin von Daisy auch gleichzeitig als der Erzähler beider Geschichten fungieren kann. Im Film wächst Nick als Go-Between von Gatsby auch in die Rolle als Vertrauter, seiner Cousine wie die seines Nachbarn. Fitzgerald tut das, was er als höchste Form freien Denkens propagiert: Das eine denken und das Gegenteil tun.

Was uns Clayton/Coppola hierbei allerdings unteschlagen, ist das moralische Elend der wohlhabenden Zwanzigerjahre-Gesellschaft in New York. Nick, der junge Obligationenhändler, findet in seiner Cousine zwar eine lebensfromme, geldorientierte Lebefrau unter vielen Frauen. Er findet aber in Gatsby auch einen zielbewussten Master of the Universe. Er beschreibt beide als zutiefst in der katholischen Gesellschaft verwurzelt, in der die  beiden einander sich suchen, ohne sich zu finden.

Während die Männer dieser gehobenen Gesellschaft alle, meist unverhohlen, ihre Frauen betrügen, lassen die Frauen, ebenso unverfroren, sich lieber erniedrigen, als sich von ihren Männern, (und ihren Vermögen) zu trennen. Im Gegenteil. Die Frauen nutzen ihr Vermögen, Liebesentbehrung zu ertragen, ebenso, wie sie die Vermögen ihrer Männer nutzen, sich Liebe zu kaufen – bei anderen.  

Nick nimmt, als Zaungast, die gröberen Regungen des Männerkampfes ebenso auf, wie die feineren erotischen Mésalliancen der Frauen, bis hin zum platonischen Schlagabtausch, bis hin zur handfesten Prügelei. Am Höhepunkt, an dem die beiden Geschäftsherren, der Altreiche und der Neureiche, sich schweissnass ihre privaten Beziehungen wie ihre Geschäftsbeziehungen verbal um die Ohren hauen, wird die Moral wieder hergestellt: Die des Stärkeren.    

Alan Ladd und Betty Field in der Verfilmung von 1949

And the Winner is …

Was haben uns Clayton/Coppola damit vorenthalten? Welchen Subtext des Romans nimmt die Neuverfilmung neu auf? Neureich gegen Altreich gegen Steinreich? Die dünne oder die dicke Luft in der High-Society? Während der Barpianist bei Scott Fitzgerald im Hintergrund Klavier spielt und dazu singt: «One thing’s sure and nothing’s surer/ The rich get richer and the poor get – children», spielt er bei Clayton nur Klavier, ohne diesen Text. Bei Luhrman spielt er eine überdimensionale Wurtlitzer, und der Text wird uns gesagt: Vergiss den goldenen Hut nicht, wenn du zur Frau gehst! Reiche Mädchen heiraten reiche Jungs! Noch haben wir nicht mitgekriegt, was geschieht, wenn Nietschzes Herrenrasse nach der Peitsche greift. Aber wir ahnen schon, dass uns das noch bevorsteht.

Erst einmal erfahren wir, dass James Gatz, alias Jay Gatsby, durch den vermögenden Gönner Dan Cody zu den ersten Beziehungen mit der High Society kam: Jay rettete Cody das Leben. Dann stellte der Alte ihn als Sekretär ein, ermöglichte ihm ein Leben in Wohlstand, vererbte ihm gar einen Teil seines Vermögens, was aber die Familie anfocht. Im Film bleibt es nur bei Andeutungen von Gatsbys unlauterem Reichtum, die später erst – dubios – bestätigt werden: Wenn Gatsbys Vater Gatz, ein Mann aus einfachen Verhältnissen, nach dem Mord auftaucht, und nur in besten Tönen von seinem Sohn spricht, wird klar, für welche moralischen Werte Gatsby steht – nämlich für den bürgerlichen Ehrencodex des Establishments, den das Establishment aber schon lange selbst mit Füssen tritt.

Auch hier ist Lurman deutlicher als Clayton: Er lässt mehr als ahnen, dass Gatsby in lusche Börsengeschafte verwickelt ist, ebenso wie in handfeste Machtkämpfe im Gangster-Milieu. Hier wird längst nicht mehr nur das amerikanische Establishment gemeint. Auch Zürich kriegt die Ehre, bei Lurman genannt zu werden.

Es gab also für die Neuverfilmung mehrere Gründe. Einer war der Roman selbst, den es neu zu sichten galt: Mit welcher Meisterschaft die Hauptfigur erst von allen Seiten belobt, befürchtet, besschrieben wird! Wie Tartuffe bei Molière die Titelfigur erst einmal von jeder Seite angekündigt, und wenn er dann, mitten , erst nur mit der Stimme hörbar, und dann nur mit dem Rückensichtbar vor uns mit sympathischem Lächeln auftaucht, ist die Spannung bereits am Höhepunkt und zugleich auch entschärft.

Luhrman schafft es eben nicht nur, den Roman um eine Dimension zu erweitern, er befolgt ihn auch klug: Er konstruiert ihn vor unseren Augen. Glotzt nicht so beim Schauen! Scheint er uns sagen zu wollen, wie auch Fitzgerald uns das Recht nicht geben wollte, jemanden einfach nur vorzuverurteilen. Wenn am Schluss des Romans die Liebe bricht, zerbricht in Wahrheit nicht nur das bürgerliche Ideal der Liebe: «Reiche Mädchen heiraten reiche Jungs», hat es Jordan Baker zu Beginn des Romans beschreiben.

Es zerbricht auch die bürgerliche Doppelmoral: Was das Establishment von den Untergebenen erwartet, praktiziert es selbst schon lange nicht mehr. Zerpflückt wird auch das Ideal der Herrenrasse, die davon ausgeht, dass alte Vermögen ehrlich erworben seien. Zum Schluss des Romans gehen die Altreichen als Verbrecher aus dem Spiel, und als – Sieger.

 Ebenso wenig baute Clayton das Finale auf, wie es der Roman kann, und wie es Luhrman nun zuspitzt: Als Männerduell, dass sich im gegenseitigen Wettbrüsten der Machthaber schon abgezeichnet hat: Besseres Haus! Bessere Parties! Besseres Geld! Besseres Auto! Nach dem offenen Duell der beiden Hähne um die bessere Frau kommt es auf dem Nachhauseweg aus der Stadt zum entscheidenden Fernduell: Daisy sitzt am Steuer von Gatsbys Cabrio und fährt ihre Rivalin tot. Gatsby, bereit sie zu decken, begeht mit ihr Fahrerflucht. Daisys Mann hetzt den Gatten der Toten (seiner Geliebten!) auf Gatsby. Der bringt Gatsby um.

Am Abend jenes Tages, wo die grosse Auseinandersetzung zwischen James Gatz und dem Football-Player Tom Buchanan stattfand, bringt auch die Entscheidung: Daisy ist eine Mörderin. Tom gibt einen Mord in Auftrag. Gatsby ist bereit, sich aus Liebe, schützend vor Daisy zu stellen. Das nutzt Daisys Mann für seinen letzten malignen Schachzug aus.

Gatsby mit einer Dimension mehr

Luhrman führt uns gleich zu Beginn vor Augen, dass er tiefer in den Roman gelesen hat, als seine Vorgänger. Er zieht uns aus der zweiten Dimension der Leinwand in eine weitere, folgt ihr, nicht dem Roman, indem er die Gesetze des Films spielen lässt, die eben der Roman bereits vorausgedacht hat. Das macht ja Vorlage zu einem Meisterwerk seiner Zeit, weil sie die Techniken der Drehbuchkunst bereits einverleibt, und stark hernach geprägt hat. Da werden in epischer Knappheit Motive angedeutet, wie etwas die grossen Augen Gottes, die erst in den filmisch geschulten Leseraugen ihre Magie entfalten. Da werden Spannungsbögen dramaturgisch ineinandergeschnitten, als sässen wir beim Lesen im Kino und würden im Kino gezwungen zu lesen. 

Luhrman verschont uns dabei nicht mit all der technischen Rafinesse, die computergestützen Film so kalt und künstlich bleiben lässt. Er legt aber, ebenso kunstbeflissen wie Fitzgerald, die Konstruktion der Geschichte bloss. Er fügt der Erzähler-Ebene sogar noch eine Meta-Erzählerebene hinzu, indem er den jungen Obligationenhändler die Geschichte seinem Arzt erzählen lässt. Luhrman tut das immer im Bemühen zu beweisen, dass Film in diesem Fall mehr kann, als Literatur: Film kann, wie Literatur, die bürgerliche Fassade beschreiben. Er kann sie, Bild für Bild deutlich machen, wie es die Literatur Wort für Wort gerade noch schafft. Aber Film kann eben, was die Literatur nur in den seltensten Fällen kann: Er kann sie allen lesbar machen. Auch der Masse des Kinopulikums. Und die ersten Zahlen aus den USA weisen darauf hin, dass es sie gerne lesen will.

Schon mit den ersten Bildern öffnet Luhrman jedermann den eingang in die Geschichte: Abstossend wie anziehend zugleich lässt er einen Trinker seine Thearpie beginnen. Die Rede ist von Jahren, in denen wir, ausser uns zu betrinken und zu feiern nichts getan haben. Dieses versoffene Wirgefühl deutet gleich an, dass wir uns alle auf das dünne Eis begeben, nicht nur die amerikanischen High Society. Erst allmählich wird uns deutlichgemacht, dass, was hier an Reichtümern angehäuft wurde, nur auf Pump basiert, oder Machtanmassung oder Verbrechen – im normalen Fall auf allen Dreien.

Dieses Wirgefühl gibt Luhrmans Film nie auf: Er lockt unsere Neugier, um dem brillianten Fassadenspiel von Jay Leonardo di Caprio in alle Tiefe zu folgen. In jeder Einstellung bringt sich da nicht ein Schauspieler in Pose, sondern ein Prinzip. Wir tauchen in eine Zeit der Hochstapler ein.

Alles nur Fassade

Was Thomas Mann erst Jahre später mit seinem Felix Krull für Europa schaffte, hatte Fitzgerald damals schon vorausgedacht und Luhrman nimmt es nun auf: Vor der Fassade der Mächtigen herrscht Hochstapelei. Hinter der Fassade lauert der Dreck, der bei jeder Ausbeutung entsteht: Auf der Fahrt von Long Island nach New York dürfen wir bei Luhrman sehen, was das heisst: Eine Industriebrache, eine Riesenmüllhalde, schuftende Nobodies im dampfenden Müll und nur eines wacht über diesen stinkenden Moloch – die Reklamewand mit den beiden grossen Augen eines Optikers.

Jede Einstellung ist hierbei meisterhaft komponiert, als Teil der Montage ebenso, wie als Teil der Narration, wie auch, als Teil der Konstruktion, auf die der Film immer wieder verweist. Das macht ihn brilliant künstlich, unsympathisch und etwas weich gezeichnet. Das lässt ihn nie ganz ans Herz wachsen. Kamera, Ausstattung, und vor allem die Kombination von Schnitt und Musik und wohl auch 3D-Effekte sind fast zu perfekt, als dass sie unsere Fantasie noch wirklich reizen. Es lohnt sich aber sie jetzt schon zu studieren, ehe sie ins Oscarrennen geschickt werden.

Baz Luhrman fächert das Epos wohl schriller, lauter, deutlicher, raffinierter und sublimer auf, als es die an der Shortstory geschulte Vorlage tun konnte, und auch, als es Francis Ford Coppola tat. Ohne es dem Publikum leicht machen zu wollen, lädt er dem Skelett der Liebesgeschichte ordentlich viel Fleisch auf: Das macht den Film zu einem barocken Meisterwerk, das auch jenen einen Zugang zu weiteren Tiefen öffnet, die nur die krude Liebesgeschichte sehen wollen. Wer aber gerne auch komplexere Bildkompositionen lesen mag, ist zu einem erlesenen Vergnügen eingeladen.

Zum Schluss rast der Film in ein fulminentes Finale. Erst dürfen die Schauspieler noch einmal alles geben: Di Caprio spielt sich in den letzten fünfzehn Minuten erneut in Oscar-Höhen, ehe die Todesraserei beginnt. Ebenso wie der Roman, zündet Lurman nun all die Lunten, die er bis anhin gelegt hat: Die alteingesessene High Society erschiesst den Neureichen. Daisy, die altreiche Ehefrau, bringt die Geliebte ihres Mannes um. Ihr Mann stiftet den betrogenen Ehemann mit einer Lüge zum Mord an Gatsby an. Gatsby ist tot. Sein Vermögen zerfällt. Daisy und Tom, die Mörderin und der Anstifter zum Mord, bleiben zusammen und entkommen der Justiz. Es ist der Sieg der alten High Society über die Nouveau Riches. Aber es ist weit mehr als das: Es ist der reich bebilderte, rauschende amerikanische Traum, der in der Agonie endet.    

 

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