Heute fordert der Österreicher Dominic Thiem im French-Open-Viertelfinal Novak Djokovic heraus. Vorher traf er sich mit der Nachrichtenagentur sda zum Interview.
Wer mit Dominic Thiem ein Interview führen will, braucht mittlerweile einen langen Atem. Einzig Rafael Nadal und Roger Federer haben in diesem Jahr mehr ATP-Punkte geholt als der 23-jährige Niederösterreicher. Der letztjährige Halbfinalist gehört in Paris zu den Titelanwärtern und ist heiss begehrt. Das Gespräch findet denn auch im Gehen zwischen Interviewraum und der TV-Plattform drei Stockwerke höher statt – und auf dem Weg zurück. Thiem ist dabei völlig entspannt und locker. Dazwischen tritt er live in der Sendung des französischen Senders France 2 auf.
Wie gut fahren Sie Ski?
«Als Österreicher liebe ich natürlich das Skifahren. Ich habs einfach schon sehr lange nicht mehr gemacht, ich glaube, seit zehn Jahren. Ich kanns, ich komme jeden Berg runter (lacht). Aber technisch schön fahre ich nicht.»
In Österreich gibt es immer ein bisschen einen Kampf zwischen den Skifahrern und den Fussballern. Welcher Fraktion gehören Sie eher an?
«Skifahren schaut man sich natürlich sehr gerne an, aber ich gehöre eher zur Fussballerfraktion. Ich bin aber auch ein grosser Skisprung-Fan.»
Wo stehen Sie in dieser Hierarchie? Sind Sie in Österreich schon ähnlich populär wie Marcel Hirscher oder David Alaba?
«Die Skifahrer sind natürlich schon sehr populär, da ist auch die Medienberichterstattung in einer anderen Liga, aber ich glaube, die Fussballer und auch ich müssen uns nicht beschweren. Wir bekommen schon genug Aufmerksamkeit. Ich ziehe sowieso den Hut vor allen guten Sportlern und dem, was sie leisten.»
Lange war Tennis in Österreich gleichbedeutend mit Thomas Muster (French-Open-Sieger von 1995; d Red.). War er auch Ihr grosses Vorbild?
«Ich war ein bisschen zu jung für Muster. Als er hier in Paris gewann, war ich nicht einmal zwei Jahre alt. Ich bin eher mit Koubek und Melzer gross geworden.»
Sie spielen aber ein bisschen ähnlich Tennis wie Muster. Meist relativ weit hinter der Grundlinie, eher der Arbeiter auf dem Platz. Hat er Sie trotzdem ein wenig beeinflusst?
«Nein. Ich habe fast keine Matches von ihm gesehen, insofern hat er mich nicht beeinflusst. Aber die Gemeinsamkeit ist sicher, dass wir uns beide auf Sand sehr wohlfühlen.»
Wie kommt es, dass Sie gerade auf Sand so stark sind?
«Ich bin auf Sand gross geworden. Von 12 bis 18 Jahren habe ich praktisch nur auf Sand gespielt, egal ob indoor oder outdoor. Da ist es relativ klar, dass es mein Lieblingsbelag ist.»
Was trauen Sie sich auf den anderen Plätzen zu?
«Ich sehe mich nicht als Sandplatz-Spezialisten, ich habe ja auch auf den anderen Plätzen schon je ein Turnier gewonnen. Ich mag es auf allen Plätzen zu spielen, seit letztem Jahr auch auf Gras, das am Anfang etwas schwierig war für mich. Aber natürlich sind die Erwartungen nicht so hoch wie auf Sand.»
Sie haben eine sehr weite Ausholbewegung. Müssten Sie diese noch ein wenig anpassen auf den anderen Belägen?
«Also, ich mag meine Ausholbewegung und sehe keinen Grund, die zu ändern, aber vielleicht werden wir sie auf schnelleren Belägen ein bisschen anpassen müssen.»
Sie gelten als einer der härtesten Arbeiter unter den Tennisprofis. Entspricht das grundsätzlich Ihrem Charakter?
«Ich denke schon. (überlegt) Also Charakter würde ich zwar nicht sagen. Das gilt nur für alles, was mit dem Tennis zu tun hat. Sonst bin ich eher faul. Aber das harte Arbeiten auf dem Platz macht meistens Spass, insofern mache ich das auch gerne.»
Sie sind schon sehr lange mit Ihrem Coach Günter Bresnik zusammen. Er gilt als harter Hund. Was bedeutet er für Sie?
«Er ist der Mann, dem ich alles zu verdanken habe in meiner Tenniskarriere, und ich bin froh, dass es seit mittlerweile 13 Jahren so gut klappt.»
Thiem wird für seinen Fernsehauftritt geschminkt. In einer Runde mit Experten wie Mary Pierce spricht er über sich und seine Karriere – in deutlich österreichisch gefärbtem Englisch. Fast glaubt man, Arnold Schwarzenegger sprechen zu hören. Nach einer Viertelstunde geht es wieder hinunter in die Eingeweide des Centre Courts.
Im Ski gibt es ja die spezielle Rivalität zwischen der Schweiz und Österreich. Wie ist das im Tennis? Roger Federer haben Sie ja im letzten Jahr zweimal geschlagen.
(lacht) «Ich sehe da keine wirkliche Rivalität. Ich mag die Schweizer, ich sehe in Federer und Wawrinka keine Rivalen. Aber ich denke, dass ihr Schweizer euch wirklich glücklich schätzen könnt, dass ihr so viele gute Spieler habt.»
In Gstaad haben Sie ja auch schon gewonnen. Darf man Sie in Zukunft wieder einmal erwarten?
«Das ist ein absolut sensationelles Turnier, richtig schön, und ich denke, dass ich auf jeden Fall wieder mal kommen werde.»
Der Medienrummel ist ja mittlerweile recht gross um Sie, wie wir hier hautnah miterleben. Gefällt Ihnen das?
«Das gehört einfach zum Job dazu. Es macht eigentlich meistens Spass, mit der Presse zu reden. Ich habe kein grosses Problem damit.»
Können Sie sich in Österreich noch frei auf der Strasse bewegen?
«Natürlich, auf jeden Fall. Manchmal kommen Leute auf mich zu, aber die sind meistens sehr nett. Das freut mich dann auch.»
Was ist das Beste daran, berühmt zu sein?
«Dass es manche Vorteile gibt. Dass ich zum Beispiel immer Karten bekomme für ein Chelsea-Match oder sonst ein gutes Fussballspiel, wenn ich möchte.»
Und welche Nachteile?
«Es ist halt ein sehr anstrengender Beruf, aber wenn es Spass macht, nimmt man das natürlich in Kauf.»
Was sollen die Leute lieber nicht von Ihnen wissen?
(überlegt) «Ich denke, ich bin eigentlich ganz in Ordnung. (lacht) Viele Leute mögen Chelsea nicht, ich liebe den Klub über alles. Das ist vielleicht das Einzige, das mir negativ ausgelegt wird.»
Auf dem Platz sind Sie manchmal ziemlich emotional, können auch mal herummotzen. Stört Sie das, wenn Sie es nachher im Fernsehen sehen?
«Auf jeden Fall. Manchmal jammere ich zu viel. Das sieht dann einfach dumm aus, wenn ich so einen Dreck daherrede. Aber in den letzten Wochen hatte ich das ganz gut im Griff. Ich hoffe, dass das so bleibt.»
In der Pressekonferenz spricht er dann auch noch über die bevorstehende Partie gegen Novak Djokovic, dem er im Halbfinal in Rom 1:6, 0:6 unterlag.
Sind Sie deshalb speziell heiss auf eine Revanche?
«Das Spiel hatte ich schnell abgehakt. Ich war nach dem Sieg gegen Nadal körperlich und im Kopf völlig leer. Ich kann das richtig einschätzen. Sowohl das Spiel gegen Nadal als auch das Spiel gegen Djokovic waren nicht mein normales Level. Die eine total positiv, die andere total negativ.»
Aber sie haben gegen Djokovic in fünf Spielen noch nie gewonnen.
«Er ist eine unfassbare Herausforderung. Er hat ein Spiel, das sehr unangenehm ist für mich. Aber ich war bei den letzten Spielen nie richtig gut drauf. Jetzt fühle ich mich schon seit Wochen sehr gut.»