Kein anderer Handballer personifiziert Frankreichs Erfolgsgeschichte der letzten 16 Jahre so gut wie Thierry Omeyer. An der WM im eigenen Land kann der Goalie seinen zehnten Titel gewinnen.
Auch als 40-Jähriger verkörpert Omeyer noch absolute Weltklasse. In Bezug auf Statistiken wie abgewehrte Schüsse oder Penaltys kann sein Stellvertreter Vincent Gerard an der Heim-WM die besseren Werte vorweisen. In Sachen Präsenz bleibt der neunfache WM-Teilnehmer «Titi» Omeyer aber unerreicht.
Im heutigen Halbfinal gegen Slowenien (20.45 Uhr) können die Franzosen den vorletzten Schritt Richtung Titel machen. Als 2001 zuletzt eine Handball-WM in Frankreich ausgetragen wurde, stand Omeyer als 24-jähriger WM-Neuling im Aufgebot der Franzosen. Die «Equipe Tricolore» startete damals ohne grosse Ambitionen, hatte sie doch Monate davor bei den Olympischen Spielen in Sydney nur den enttäuschenden 6. Platz belegt.
Rückblickend betrachtet markierte dieses WM-Turnier im Januar 2001 die Geburtsstunde der erfolgreichen Handball-Ära der «Grande Nation». Damals noch als «Les Barjots» – die Verrückten – bekannt, erhielt die Mannschaft mit dem WM-Titel den Übernamen «Les Costauds», was ihre physische Stärke umschrieb. Seit dem Olympia-Sieg in Peking 2008 gelten «Les Experts» als erfolgreichstes Team aller Zeiten.
Der «Experte» im französischen Tor ist 16 Jahre später zwar etwas angegraut, hat aber von seinem Können noch nichts eingebüsst. «Spielt der immer noch?» ist man angesichts des eindrücklichen Palmarès des Welthandballers 2008 versucht zu fragen. International sorgte Omeyer 2001 im WM-Final gegen Schweden (28:25) erstmals für Aufsehen, als er von 19 Schüssen deren sechs parierte. Zwei Olympia-Siege, vier WM- und drei EM-Titel später gilt der 40-jährige «Titi» aus dem Elsass als bester Handball-Torhüter aller Zeiten. Die Champions League gewann er viermal (einmal mit Montpellier, dreimal mit dem THW Kiel), deutscher Meister wurde er mit Kiel sechsmal, französischer Meister siebenmal (mit Montpellier und Paris Saint-Germain).
Ende der Karriere in Sicht
Eine Marke wird Omeyer trotz seiner langen Karriere wohl nicht erreichen: diejenige des französischen Rekord-Internationalen. Mit rund 350 Länderspielen liegt er noch deutlich hinter dem zurückgetretenen Jackson Richardson (417). Selbst wenn Omeyer erneut vor heimischem Publikum Weltmeister würde und an der nächsten EM ebenfalls um die Medaillen spielt, käme er inklusive der EM-Qualifikation sowie einigen Testspielen bei weitem nicht auf 400 Spiele.
Dafür müsste er wohl noch bis zu den Olympischen Spielen 2020 zwischen den Pfosten stehen. Omeyer hat aber bereits im Sommer angekündigt, dass Rio sein letztes Olympia-Abenteuer sein würde. Seine Lust auf Titel scheint aber trotz des verpassten dritten Olympiasieges in Folge nicht abzuebben. Er wird den Fans – zumindest auf Klub-Ebene – wenigsten noch bis 2018 erhalten bleiben. Erst vor einem Monat verlängerte er seinen Vertrag beim französischen Meister Paris Saint-Germain bis Juni 2018.
Die Motivation und der Spass am Handball seien immer noch vorhanden, erzählte er der Sportzeitung «L’Equipe». Und zudem wolle er seinen grössten Fan nicht enttäuschen. «Mach‘ weiter Papa, du bist immer noch gut», sagt ihm seine 14-jährige Tochter regelmässig. Frankreichs Handball-Fans dürfen dem sachverständigen Teenager dankbar sein.