Timoschenko in Kiew bejubelt

In der Ukraine ist am Samstag zum Abschluss eines turbulenten Tages die Oppositionsführerin Julia Timoschenko Stunden nach ihrer Freilassung in Kiew eingetroffen. Dort wurde sie am Abend auf dem Maidan-Platz von Zehntausenden mit grossem Jubel empfangen.

Julia Timoschenko kurz nach der Freilassung (Bild: sda)

In der Ukraine ist am Samstag zum Abschluss eines turbulenten Tages die Oppositionsführerin Julia Timoschenko Stunden nach ihrer Freilassung in Kiew eingetroffen. Dort wurde sie am Abend auf dem Maidan-Platz von Zehntausenden mit grossem Jubel empfangen.

Die Menge feierte die frühere Regierungschefin wie eine Volksheldin. «Ehre den Helden», waren ihre ersten bewegten Worte mit zitternder Stimme. Kurz versagte ihre Stimme unter Tränen. Die an einem Rückenleiden erkrankte Politikerin sass in einem Rollstuhl. Timoschenko hatte unmittelbar nach ihrer Ankunft in Kiew eine Bestrafung für die Verantwortlichen am Tod Dutzender Regierungsgegner gefordert.

Des weitern rief sie die Demonstranten im Zentrum Kiews auf, ihren Kampf fortzusetzen, bis Politiker gewählt seien, die das Vertrauen verdienten. «Wir müssen es vollenden. Ihr habt ein neues Land verdient», sagte sie.

Auf dem Weg in die EU

Noch vor ihrem Eintreffen auf dem Maidan sagte sie gegenüber Medienleuten, sie sei überzeugt, dass die Ukraine in nächster Zeit Mitglied der Europäischen Union sein und dies alles ändern werde. Dies meldete die Nachrichtenagentur Interfax.

Die 53-Jährige war nur wenige Stunden zuvor nach mehr als zweieinhalbjähriger Haft freigelassen worden. Sie wolle für die Neuwahlen im Mai kandidieren, sagte sie kurz nach ihrer Freilassung. In einem Privatjet flog sie dann nach Kiew, wo Anhänger sie mit Blumen empfingen. Zuletzt war Timoschenko mehr als anderthalb Jahre wegen eines schweren Rückenleidens in einer Klinik behandelt worden.

Janukowitsch entmachtet

Schon vor der Freilassung Timoschenkos hatten sich am Samstag in der Ukraine die Ereignisse überschlagen. Das Parlament hatte Präsident Janukowitsch entmachtet. Janukowitsch sei nicht mehr in der Lage, die Amtsgeschäfte verfassungsgemäss auszuüben, entschied das Parlament in einer Sondersitzung. Gleichzeitig setzten die Abgeordneten den 25. Mai als Termin für Neuwahlen an.

Nach dem Entscheid brach in der Abgeordnetenversammlung Jubel aus. Die Parlamentarier erhoben sich von ihren Sitzen und sangen die Nationalhymne.

Janukowitsch sprach von einem Staatsstreich. Er werde nicht zurücktreten und vorläufig im Osten des Landes bleiben, sagte er kurz vor seiner Amtsenthebung durch das Parlament gegenüber einem Lokalsender in der ostukrainischen Stadt Charkow.

Rückendeckung erhielt Janukowitsch von Russland, das der Opposition vorwarf, gegen das am Freitag geschlossene Abkommen zu verstossen. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow forderte die Vermittler Deutschland, Polen und Frankreich auf, für dessen Einhaltung zu sorgen. Und die die prorussischen Regionen im Osten der Ukraine zweifelten die Legitimität des Parlaments an.

Sicherheitskräfte halten sich zurück

Das für die Polizei zuständige Innenministerium stellte sich demonstrativ hinter die Forderung der Regierungsgegner nach einem raschen Wandel. Die Chefs der vier Sicherheitskräfte sagten den Regierungsgegnern zu, sie würden sich nicht in den Konflikt einmischen. Auch das ukrainische Militär versicherte, es wolle sich nicht in den Machtkampf einmischen.

Demonstranten hatten am Morgen Janukowitschs Amtssitz in der Hauptstadt übernommen. Die Sicherheitskräfte liessen sie gewähren. Seine Residenz 15 Kilometer ausserhalb von Kiew wirkte verlassen. Hunderte Menschen wurden nach Angaben eines Reuters-Fotografen auf das Gelände des weitläufigen Anwesens gelassen, jedoch nicht ins Innere des Gebäudes.

Zwei Posten neu besetzt

Das Parlament hatte am Morgen einen der engsten Vertrauten Timoschenkos, Olexander Turtschinow, zu seinem neuen Präsidenten gewählt. Und der Oppositionsabgeordnete Arsen Awakow wurde neuer Innenminister. Tags zuvor hatte das Parlament die Entlassung von Vitali Sachartschenko als Innenminister beschlossen. In ihm sahen die Demonstranten einen der Hauptverantwortlichen für die vielen Toten in den vergangenen Tagen.

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