Stadthahn brütet Landei aus.
Als George Berhard Shaw seinen Professor Higgins Eliza Doolittle bei sich aufnehmen liess, um aus ihr eine Frau der Gesellschaft zu machen, skizzierte er ein frühes Modell der Emanzipation: Er formulierte es als Ziel des Mannes, aus der Frau einen besserer Mann zu machen, und lieferte damit einen weitsichtig ironischen Beitrag zur Befreiung des Mannes. In den Fünfziger Jahren des gleichen Jahrhunderts, als die Musical-Fassung des Stückes als My Fair Lady ein Welthit wurde, drängten die Frauen erneut weg vom Herd in – die Stadt. Dort fanden sie sich, meist mit einer Zigarette zwischen den Lippen, wieder – so wie in «Modemoiselle Populaire».
Rose will Ende der Fünfziger der Enge auf dem Dorf entkommen. Sie will eine Stelle in der Stadt. Als Tippmamsell. Als Vorzimmerdame. Als Sekratärin. Sie stürzt sich in den Wettbewerb der Fräuleins, und schafft es auch, die Stelle zu kriegen, obwohl sie längst nicht die Beste ist. Als Rose im Cabinet von Louis Echard die Stelle antritt, ahnt sie, was ihr bevorsteht. Nur die Besten setzen sich im Modeberuf durch.
Louis, ihr ehrgeiziger Chef, ist ein Mann, der tut, was Männer am Besten können: der Beste sein wollen. Er schafft es immerhin auch der Beste zu sein – wenn auch nur in der Kunst Zweiter zu werden. Als Ewigzweiter nimmt nun Louis das Frauenschicksal der Rose in die Hand, und will aus ihr die Beste machen. Im Schnelltippen. Er trainiert sie. Er fordert. Er fördert. Und er liefert ein zutiefst liebevolles Emanzipationsmodell.
Mit charmanter Ironie präsentiert Régis Roinsard in «Populaire» seinen Kinoerstling. Ihm gelingt gleich auf Anheib ein herrlich durchgestiltes, kitschiges Zeitbild des Schreibmaschinenzeitalters. Entlang einer Liebesgeschichte sammelt er die Indizien für einen Aufbruch, samt einem Ausblick auf die nächste Emanzipation. Roinsard liefert nicht nur farblich abgestimmten Zeitgeist, sondern auch liebevolle Verweise auf heute.
Dass Roinsard dabei ein excellentes Schauspielerinnen-Ensemble und, mit Guillaume Schiffmann, auch einen der renommiertesten Kameramänner Frankreichs (er war auch für den Look von «The Artist» verantwortlich) neben sich wusste, ist ein Zeichen für die Stärke der französischen Filmindustrie. Selbst Erstlingswerke beweisen hier meist hohe Qualität. Roinsard und sein Team schenken Frankreich eine naiv-romantische Liebesgeschichte, die sich hoffnungsvoll bei Vorgängerinnen wie «Amelie de Montmartre» einreihen kann. Déborah François Rose steht an Naivität nichts hinter «Amélie» und darf sich mit ihrer Ausstrahlung ruhig mit jener von Audrey Toutou messen.
Wer immer das vertraute Klappern einer «Baby-Hermes» vermisst, hat Gelegenheit hier einiges nachzuholen. Wer es auch gleich auf seiner Tastatur installieren will, kann sich den ClicKey – natürlich – herunterladen: Das klingt dann nicht ganz so laut und herrlich wie eine «Adler» oder eine «Olympia» oder «Hermes», aber das Gefühl, man müsse die Zigarettenasche von der Tastaturblasen, setzt instinktiv wieder ein.
Bis es so weit ist: Hier die Liebeserklärung des alten Schweden Leroy Anderson an sein Baby.