Zwei Kapitäne stehen sich gegenüber: Der eine unbewaffnet, der andere zum Äussersten bereit. Der Zweifler trifft auf die Verzweifelten. Tom Hanks überzeugt in einem Thriller von Regisseur Paul Greengrass («Bourne Ultimatum»).
Auf dem Weg zum Flughafen erwähnt Kapitän Phillips seiner Frau gegenüber, dass das Klima auf den Schiffen rauher geworden sei: Stärkerer Zeitdruck. Wachsender Konkurrenzdruck. Zunehmend unsorgfältige Ausbildung. Am Abend geht Phillips an Bord. Als Kapitän eines grossen Container-Schiffes verschifft er unter amerikanischer Flagge für eine global tätige Reederei die Erträge des wirtschaftlichen Aufschwungs rund um die Welt.
Am anderen Ende der Welt, an der somalischen Küste, sticht ebenfalls ein Kapitän in See. Auf einem Fischkutter treibt er einen Haufen jugendlicher Piraten an Bord. Verzweifelte junge Männer, vollgedröhnt und schwer bewaffnet, von Gang-Bossen zu mehr Profit angetrieben, sind sie auf dem Weg zu jener Arbeit, die in den von Europäern und Chinesen leergefischten Gewässern vor der Küste noch bleibt: Piraterie. Die Kidnapper arbeiten, ebenfalls schlecht ausgebildet, unter Zeit- und Konkurrenzdruck wie die Seemänner.
Ein paar Tage später stehen sich die zwei Kapitäne gegenüber. Der eine unbewaffnet – gemäss internationalem Seerecht – der andere zum Letzten entschlossen. Es stehen sich mehr als zwei Seemänner gegenüber. Es sind zwei Welten: Jene der zukunftslosen Jugend der dritten Welt und jene der Grossmacht USA, die ihre Zukunft hinter sich hat. Das Ende der Nahrungskette fordert vom Anfang der Kette Geld. Strafzoll für das Passieren der Gewässer, aus denen die Handelsgrösstmacht Nahrungsmittel nach Hause fugt, die der Welt fehlen.
Bei «Bourne» geschult für Spannung
Fulminant steigt «Captain Phillips» zu Beginn in die Diskussion ein, wie weit Arbeitsbedingungen Menschen in Verzweiflung treiben – Piraten wie Seemänner wollen ihren Job nicht verlieren. Beide ducken unter verschärfter Lohndrückerei. Regisseur Paul Greengrass («Bourne Ultimatum») verliert allerdings sehr rasch die Lust an diesen sarkastischen Vergleichen.
Er zieht es vor, die Action weiter zu denken: Was wie eine vielversprechende dramatische Diskussion beginnt, wird bald von den Erfordernissen der Thriller-Kunst überlagert. Grossartig, wenn auch gar aufdringlich, wird die amerikanische Kriegsmaschinerie besungen. (Der Waffenproduzent Halliburton wird gleich mehrmals genannt, als wärs eine Werbeveranstaltung für US-Kriegstechnologie). Erst am Schluss lässt der Oscar-Gewinner Tom Hanks dann wieder grosse Schauspielkunst aufblitzen und führt zurück zum Diskurs der Menschlichkeit.
Regisseur Greengrass gibt deutlich zu erkennen, warum er für intelligente Thriller der richtige Mann ist: Anstatt nur Rachegefühle und amerikanischen Patriotismus zu feiern, lässt er den Film im Gesicht des gefolterten Kapitäns enden. Plötzlich werden die Gesichtszüge eines Menschen von den Widersprüchen der global agierenden Profitmaschinerie verzerrt. Der Zweifler ist bei den Verzweifelten angekommen.
Der Film läuft ab dem 14. November im Kino – wann und wo, weiss das Kinoprogramm.